Newsletter Nr. 03 – März 2007
Im März tagte der Gemeinsame Bundesausschuss in den Besetzungen für Vertragsärztliche Versorgung und Krankenhausbehandlung. In diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse dieser Sitzungen. Einen Kommentar von Dr. Rainer Hess, dem Vorsitzenden des G-BA, finden Sie wie immer am Ende des Newsletters.
Auf zwei Veranstaltungen möchten wir an dieser Stelle hinweisen:
- Am 26. und 27. April 2007 findet in Berlin eine Tagung statt mit dem Titel: "Die Rechtsverfassung der Bewertung von Leistungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)", die gemeinsam vom G-BA, dem IQWiG und dem Institut für Gesundheits- und Medizinrecht (IGMR) veranstaltet wird.
- Am 2. und 3. Mai richten das Bundesministerium für Gesundheit und der G-BA eine Tagung aus mit dem Titel: "Sicherung der Qualität im Gesundheitswesen: Ergebnisse und Perspektiven", zu der man sich auf der Website des G-BA anmelden kann: Anmeldeformular.
- Sitzungen & Ergebnisse
- In Kraft getretene Beschlüsse
- Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
- Sitzungs-Termine für das zweite Quartal 2007
- Kommentar des Vorsitzenden
Sitzungen & Ergebnisse
15. März 2007
G-BA gem. § 91 Abs. 5 SGB V - Vertragsärztliche Versorgung
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 2: Festbetragsgruppenänderung der Stufe 1 (Oxybutynin, Gruppe 1)
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 8: Life style Arzneimittel (Intrinsa)
Arzneimittel-Richtlinie, Abschnitt F: Umsetzung der Transparenz-Richtlinie (Bescheidung von Anträgen auf Aufnahme in die OTC-Übersicht)
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 4: Therapiehinweise (Aktualisierungen)
Häusliche Krankenpflege-Richtlinien: Öffnungsklausel für Einzelfälle
Häusliche Krankenpflege-Richtlinien: Spezielle Belange von Kindern/ Sonstige Anpassungen
Mutterschafts-Richtlinien: Chlamydien-Screening (Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens)
G-BA gem. § 91 Abs. 7 SGB V – Krankenhausbehandlung
In Kraft getretene Beschlüsse
Vertragsärztliche Versorgung
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 4: Therapiehinweis zu Teriparatid
Neufassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie:
Zusammenführung der Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte und der Angestellte-Ärzte-Richtlinien; Umsetzung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes in die Bedarfsplanungs-Richtlinie
Häusliche Krankenpflege-Richtlinien: Intermittierender transurethraler Einmalkatheterismus
Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
Ärztliche Angelegenheiten
Richtlinie gemäß § 116b SGB V: Neuaufnahme und Konkretisierung (Pulmonale Hypertonie)
Richtlinie gemäß § 116b SGB V: Konkretisierung (Hämophilie)
Vertragsärztliche Versorgung
Arzneimittel-Richtlinie: Neufassung
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 2: Festbetragsgruppenbildung der Stufe 3 (Bisphosphonate)
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 2: Festbetragsgruppenneubildung der Stufe 2: Antianämika, andere
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 2: Festbetragsgruppenneubildung der Stufe 2: Makrolide
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 4: Therapiehinweis zu Adalimumab
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 8: Life style Arzneimittel (Varenicline)
Arzneimittel-Richtlinie in Anlage 9 Teil A: DNCG-haltige Arzneimittel
Krebsfrüherkennungs-Richtlinie: Früherkennung des Zervixkarzinoms
Vertragspsychotherapeutische Versorgung
Psychotherapie-Richtlinie: Gesprächspsychotherapie
Krankenhausbehandlung
Autologe Chondrozytenimplantation am Kniegelenk: Beschluss über Maßnahmen der Qualitätssicherung
Protonentherapie beim Rektumkarzinom
Vereinbarung zum Qualitätsbericht/ Anlage 2 (Ausfüllhinweise)
Vereinbarung zum Qualitätsbericht/ Anhang 1 zu Anlage 1 (Datensatzbeschreibung)
Vereinbarung zum Qualitätsbericht/ Neufassung von Anhang 2 zu Anlage 1 (Auswahllisten)
Sitzungs-Termine für das zweite Quartal 2007
In der Regel tagt der G-BA am dritten Donnerstag eines jeden Monats.
§ 91 Abs. 2 SGB V - Plenum
10. Mai 2007
§ 91 Abs. 4 SGB V – Ärztliche Angelegenheiten
10. Mai 2007
§ 91 Abs. 5 SGB V – Vertragsärztliche Versorgung
19. April 2007
10. Mai 2007
21. Juni 2007
§ 91 Abs. 7 SGB V – Krankenhausbehandlung
10. Mai 2007
Kommentar des Vorsitzenden
Aufgrund einer Beanstandung der Beschlussfassung des G-BA zur Protonentherapie beim Rektumkarzinom hat sich der G-BA in der Besetzung nach § 91 Abs. 7 SGB V auf seiner Sitzung am 15. März 2007 erneut mit seiner Entscheidung befasst. Ausgelöst wurde die Beanstandung durch einen Verweis im Beschluss des G-BA auf die "Nikolaus-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 zur Begründung der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Einzelfällen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen. Im Beschluss des G-BA zum Ausschluss der Protonentherapie beim Rektumkarzinom als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Krankenhausbehandlung wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung in den wenigen Einzelfällen, in denen nach Ausschöpfung der Standardtherapie für abgegrenzte Metastasen durch die Protonentherapie eine Linderung und damit eine Verbesserung der Lebensqualität als möglich angesehen werde, nach Maßgabe der genannten Entscheidung des BVerfG eine Einzelbewilligung der Leistungsgewährung durch die Krankenkasse des Versicherten erfolgen könne.
In einem zur Beanstandung geführten Gespräch im BMG wurde seitens des Ministeriums betont, dass sich in diesem Fall - anders als bei den ebenfalls beanstandeten Vorbeschlüssen zur Protonentherapie beim Ästhesioneuroblastom und beim Mamakarzinom - die Beanstandung nicht gegen den grundsätzlichen Ausschluss der Leistungspflicht der Krankenkasse richte, sondern ausschließlich gegen die aus Sicht des BMG für die betroffenen Versicherten unzumutbare Behandlung der auch vom G-BA als möglich angesehenen Anwendbarkeit in den genannten Einzelfällen. Einem schwerstkranken Patienten mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zum Tode führenden Krebserkrankung könne nicht zugemutet werden, in einem nicht geregelten und für ihn daher nicht transparenten Verfahren eine Einzelbewilligung der Leistung bei seiner Krankenkasse zu beantragen. Dem wird sich im Ergebnis niemand verschließen wollen, und deswegen hat der G-BA in seiner Sitzung am 15. März 2007 in der Besetzung nach § 91 Absatz 7 SGB V auch beschlossen, den zuständigen Unterausschuss mit der Erarbeitung eines Lösungsvorschlages zu beauftragen. Die gleichzeitig zur Vermeidung der Rechtskraft der Beanstandung beschlossene Klageerhebung erfolgt somit zunächst ausschließlich zur Fristwahrung.
Der Vorgang zeigt aber das Dilemma auf, vor das der G-BA in diesem und in ähnlich gelagerten Fällen durch die Entscheidung des BVerfG gestellt wird. Der G-BA trifft auch im Rahmen von § 137c SGB V normative Entscheidungen, die auf einer evidenzbasierten Bewertung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse beruhen. Das BVerfG lässt demgegenüber, ohne die normative Bewertungsebene als solche in Frage zu stellen, Einzelfallentscheidungen zu, die gerade nicht auf dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse basieren, sondern eine vage Aussicht auf Heilung oder Linderung ausreichen lassen. Derartige Einzelfallentscheidungen entziehen sich deswegen auch einer Normierung durch den G-BA; sie können vergleichbar der zur Arzneimittel-Richtlinie ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmemöglichkeit von Verordnungsausschlüssen (§ 31 Abs. 1 S. 4 SGB V) nur anhand der Umstände des Einzelfalles beurteilt und entschieden werden. Der G-BA bzw. in seinem Auftrag das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen(IQWiG) muss vielmehr nach medizinischen Kriterien Patientengruppen oder Indikationen für den Einsatz einer bestimmten Methode definieren und hierauf bezogen generalisierend Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Leistungserbringung in der GKV bewerten. Dazu hat er sich in seiner Beschlussfassung zur Protonentherapie beim Rektumkarzinom nicht in der Lage gesehen und deswegen auf die durch das BVerfG eingeräumte Einzelfallentscheidung hingewiesen. Angestrebt werden soll jetzt eine nähere Abgrenzung der betreffenden Patientengruppe und der Indikation, bei der eine Behandlung mit Protonen nach Ausschöpfung der Standardtherapie insbesondere zur Schmerzlinderung erfolgversprechend sein kann. Alternativ wird eine partielle Aussetzung der Entscheidung auf der Grundlage von § 21 Abs. 4 Verfahrensordnung erwogen, um gegebenenfalls fortbestehende Zweifel an der Evidenz zu klären.
Das aufgezeigte Grunddilemma aus der Entscheidung des BVerfG bleibt und soll in einem weiteren Gespräch im BMG erörtert werden.