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Newsletter Nr. 06 – Juli 2008

Im Juli hat sich das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von gesetzlichen Krankenkassen, Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und Krankenhäusern, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), neu konstituiert. In diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse dieser ersten öffentlichen Sitzung. Außerdem finden Sie einen Kommentar von Dr. Rainer Hess, dem alten wie neuen unparteiischen Vorsitzenden des G-BA.


Sitzung vom 17. Juli 2008

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 2 (Tiaprid, Gruppe 1, in Stufe 1)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 2 (Angiotensin-II-Antagonisten, Gruppe 1, in Stufe 2)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 2 (Olanzapin, Gruppe 1, in Stufe 1)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 2 (Clozapin, Gruppe 1, in Stufe 1)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 2 (Cefalosporine, Gruppe 2 in Stufe 2)

Beauftragung IQWiG (kurzwirksame Insulinanaloga bei Kindern und Jugendlichen)

Psychotherapie-Richtlinien (Neufassung mit Klarstellung zu § 17)

Geschäftsordnung

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In Kraft getretene Beschlüsse

Vertragsärztliche Versorgung

Änderung der Gebührenordnung im Antragsverfahren nach § 34 Abs. 6 SGB V

Arzneimittel-Richtlinie/ neuer Abschnitt I (Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 2 (Bisphosphonate und Kombinationen von Bisphosphonaten mit Additiva, Gruppe 1, in Stufe 3)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 4 (Sitagliptin)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 8 (Dysport)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 10 (Kurzwirksame Insulinanaloga Diabetes mellitus Typ 2)

Arzneimittel-Richtlinie/ neuer Abschnitt I (Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 12 (Ergänzung verordnungsfähiger Medizinprodukte)

Kinder-Richtlinien (Einrichtung einer Kinderuntersuchung U7a)

Krebsfrüherkennungs-Richtlinien (Hautkrebs-Screening)

Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (Balneophototherapie)

Schutzimpfungs-Richtlinie (Redaktionelle Änderungen und Aktualisierung der Anlage 2)

Krankenhausbehandlung

Vereinbarung über Maßnahmen der QS in Krankenhäusern (Leistungsbereiche 2009)

Qualitätssicherungsvereinbarung zum Bauchaortenaneurysma

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Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse

Ärztliche Angelegenheiten

Richtlinie nach §116b SGB V (Konkretisierung Diagnostik und Therapie der schweren Herzinsuffizienz)

Richtlinie nach §116b SGB V (Konkretisierung Diagnostik und Versorgung von Patienten mit HIV/Aids)

Richtlinie nach §116b SGB V (Konkretisierung Onkologische Erkrankungen: Tumore des Auges)

Richtlinie nach §116b SGB V (Konkretisierung rheumatologischer Erkrankungen)

Vertragsärztliche Versorgung

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 4 (Leflunomid)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 4 (Strontiumranelat)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 4 (Palivizumab)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage 4 (Exenatide)

Bedarfsplanungs-Richtlinie (Zulassungsfähige Arztgruppen)

Chroniker-Richtlinie (Definition geistig wesentlicher Behinderungen)

Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien Anpassung der Dokumentation)

Jugendgesundheitsuntersuchungs-Richtlinien (Anpassung der Dokumentation)

Kinder-Richtlinie (Neugeborenen-Hörscreening)

Krebsfrüherkennungs-Richtlinien (Anpassung der Dokumentation)

Richtlinien Methoden vertragsärztliche Versorgung (Apherese bei isolierter Lp(a)-Erhöhung)

Richtlinien Methoden vertragsärztliche Versorgung (PET beim kleinzelligen Lungenkarzinom)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung

Psychotherapie-Richtlinien (Gesprächspsychotherapie)

Krankenhausbehandlung

Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie bei der Indikation Mammakarzinom)

Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie bei der Indikation Ästhesioneuroblastom)

Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung (HBO beim diabetischen Fußsyndrom)

Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie beim Prostatakarzinom)

Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie beim Prostatakarzinom: Qualitätssicherung)

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Sitzungs-Termine für das 3. Quartal 2008

21. August 2008
18. September 2008

In der Regel tagt der G-BA am dritten Donnerstag eines jeden Monats. 

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Kommentar des Vorsitzenden

Konstituierende Sitzungen sind nicht nur im G-BA durch eine Vielzahl organisatorischer Entscheidungen geprägt; sie sind notwendig, um zu gewährleisten, dass das neu errichtete Gremium ordnungsgemäß besetzt ist und eine rechtlich gesicherte Basis für seine künftige Arbeit erhält. Die Neustrukturierung des G-BA hat insoweit die Besonderheit,

  • dass gesetzliche Vorgaben für die Neubesetzung des jetzt alleinigen Beschlussgremiums zu beachten waren,
  • dass die vier Trägerorganisationen die notwendigen Vorentscheidungen, insbesondere für die Benennung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter, einvernehmlich zu treffen hatten,
  • aber auch einen neuen organisatorischen Unterbau für dieses alleinige Beschlussgremium schaffen mussten und
  • hierfür einvernehmlich eine Geschäftsordnung zu erarbeiten war.

Diese notwendigen Vorentscheidungen durch die Trägerorganisationen mussten vor Konstituierung der Neubesetzung des G-BA erfolgen und mit dem BMG bezüglich der Geschäftsordnung auch vorher abgestimmt werden; anderenfalls hätte in der konstituierenden Sitzung die notwendige Rechtsgrundlage für Beschlüsse in der neuen Besetzung gefehlt. Die konstituierende Sitzung des G-BA hatte, da die im Konsens der Trägerorganisationen getroffenen Vorentscheidungen nur offiziell zu bestätigen und protokollarisch festzuhalten waren, ein zeremonielles Gepräge.

Die eigentliche Botschaft dieser Konstituierung ist die Zügigkeit des Umstrukturierungsprozesses, der nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung am 1. Juli 2008 nur noch zwei Wochen in Anspruch nahm, obwohl der Gesetzgeber für die Bildung des neuen Beschlussgremiums nach § 91 Abs. 9 SGB V ein viertel Jahr bis zum 30. September 2008 eingeräumt hat. Dies zeigt, dass - unabhängig von fortbestehenden Interessengegensätzen in Sachentscheidungen - alle Beteiligten ein hohes gemeinsames Interesse daran haben, den G-BA so schnell als möglich auch in der neuen Struktur handlungsfähig zu machen.

Die Notwendigkeit eines „schnellen Starts“ ergibt sich aus dem durch das GKV-WSG und neuerdings durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (Pfl–WG) nochmals deutlich erweiterten Aufgabenspektrum des G-BA und aus den über das BMG in die konstituierende Sitzung eingebrachten Erwartungen der Politik. Aus den die Arbeit und Funktion des G-BA würdigenden Worten von Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder lässt sich gut herauslesen, was sich die Politik von der Neustrukturierung des G-BA wirklich verspricht. Eine deutlich stärkere sektorenübergreifende Ausrichtung der Aufgabenstellung, insbesondere in der Qualitätssicherung und Kosten-Nutzen-Bewertung, sowie eine wesentlich beschleunigte, weil aus Sicht des BMG durch die neue Struktur deutlich gestraffte und „professionalisierte“  Arbeitsweise. Dafür nimmt das BMG offensichtlich auch ein stärkeres Konfliktpotential in Kauf.

Vor dem neu strukturierten G-BA türmt sich aber auch ein großes Potential konfliktträchtiger Entscheidungen auf:

  1. Die Politik verbindet zumindest teilweise mit der jetzt für patentgeschützte  Arzneimittel eingeführten Kosten-Nutzen-Bewertung und hierbei zu beachtender internationaler Standards der evidenzbasierten Medizin und der Gesundheitsökonomie ganz andere Vorstellungen, als sie zurzeit methodisch im Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) entwickelt werden. Der G-BA trägt aber die rechtliche Verantwortung für die Auftragserteilung an das IQWiG und für die Rechtmäßigkeit des aus dessen Empfehlungen an den GKV-Spitzenverband weiterzuleitenden Entscheidungsrahmens für die Festsetzung von Höchstbeträgen. Er muss daher den rechtlichen Rahmen hierfür festlegen.
  2. Die zum 1. Juli 2008 wirksam werdenden Vorschriften zur Einführung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung und die bevorstehende Auftragserteilung an ein unabhängiges Institut für Qualitätssicherung  stellen für sich allein, unabhängig von den methodisch durch dieses Institut zu erarbeitenden Grundlagen, eine Herkulesaufgabe dar; die hierfür notwendigen Organisationsstrukturen und die Datengrundlagen müssen in Zusammenarbeit mit den auf Landesebene verantwortlichen Organisationen geschaffen werden.
  3. Die Konfliktträchtigkeit der vom G-BA zu beschließenden Richtlinien zur Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlungen der in § 116b SGB V aufgeführten Erkrankungen ist bereits erwiesen.  Diese Aufgabenstellung muss aber, trotz hiergegen eingereichter und angekündigter Klagen, fortgesetzt werden.
  4. Die Diskussion um wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Kindesmisshandlungen hat zu einem starken politischen Druck auf den G-BA zur Überarbeitung der Kinder-Richtlinien geführt. Die jetzt eingeführte U 7a trägt dem Rechnung. Die Grundsatzdiskussion über die Zielsetzung der Krankheitsfrüherkennung im GKV-System und die hierfür geeigneten Maßnahmen ist damit aber in keiner Weise abgeschlossen.
  5. Aufgrund der „Nikolausentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts wird sich der G-BA bei der Methodenbewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden immer wieder mit Grenzfragen der evidenzbasierten Bewertbarkeit von Behandlungsmethoden, insbesondere bei seltenen Erkrankungen, befassen müssen und dabei auf die im Gesetz angelegte Konfliktsituation getrennter Bewertungsgrundlagen für die ambulante und stationäre Behandlung stoßen.
  6. Der Konflikt mit der durch das GKV-WSG eingeführten Abhängigkeit niedriger Belastungsgrenzen für chronisch Kranke von einem gesundheitsbewusstem Verhalten beziehungsweise der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen ist zwar durch die Chroniker-Richtlinie des G-BA zunächst gelöst, bleibt aber als gesetzlicher Auftrag an den G-BA erhalten.
  7. Die getroffene Entscheidung zur Gesprächspsychotherapie verpflichtet den G-BA zu einer umfassenden Bewertung psychotherapeutischer Behandlungsverfahren in der GKV.

Jenseits dieser aufgeführten möglichen Konfliktfelder wird sich aus der zu erwartenden heftigen Diskussion um die Rechtfertigung des bereits ab 1. Januar 2009 bundeseinheitlich festzusetzenden Beitragssatzes zunehmend die Frage stellen, was der G-BA dazu beitragen kann, Ausgabensteigerungen in sozial- und gesundheitspolitisch vertretbaren Grenzen zu halten. Dazu muss zunächst aus rechtlicher Sicht eindeutig festgehalten werden, dass der G-BA keine Zuständigkeit für die „Rationierung“ nach dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse notwendiger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hat. Er kann nur feststellen, ob eine solche Methode diesem allgemein anerkannten Erkenntnisstand entspricht und gegebenenfalls entscheiden, dass sie wegen nicht belegten medizinischen Zusatznutzens oder wegen Unwirtschaftlichkeit gegenüber vergleichbaren Methoden auszuschließen ist.

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