Pressemitteilung | Sonstige

Gemeinsamer Bundesausschuss: Ausblick auf das Arbeitsprogramm 2023

Berlin, 14. Februar 2023 – Wie vielseitig die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung für 74 Mio. gesetzlich versicherte Menschen in Deutschland ist, zeigt auch in diesem Jahr der Blick auf das aktuelle Arbeitsprogramm des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Neben neuen gesetzlichen Aufgaben geht es erneut darum, bestehende Regelungen zu aktualisieren und an veränderte Anforderungen anzupassen. Das betrifft beispielsweise die Qualitätssicherung, die Bewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder die Einstufung von neuen Arzneimitteln. So unterschiedlich die einzelnen Arbeitsaufträge und anstehenden Entscheidungen für den G-BA auch sein mögen, die die drei unparteiischen Mitglieder heute in einer Pressekonferenz vorgestellt haben – immer geht es darum, die Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau abzusichern und idealerweise mit Hilfe hochwertiger Studien auszubauen.

Statement von Prof. Josef Hecken(PDF 168,50 kB)
Anlage zum Statement von Prof. Josef Hecken(PDF 427,13 kB)
Statement von Dr. Monika Lelgemann(PDF 104,95 kB)
Statement von Karin Maag(PDF 186,18 kB)

Die folgende Übersicht zeigt vor allem eine Auswahl an Themen, die der G-BA zusätzlich zum routinemäßigen Aktualisieren der Richtlinien in diesem Kalenderjahr bearbeiten wird:

Arzneimittel

Frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel

Der G-BA wird seine etablierten frühen Nutzenbewertungen neuer Arzneimittel (gemäß § 35a SGB V) auch in diesem Jahr fortsetzen. Der Umfang dürfte dabei in etwa vergleichbar mit dem im Vorjahr sein: Erwartet werden rund 130 Verfahren und 260 Beratungen. Daneben wird der G-BA auch jene Verfahrensänderungen umsetzen, die sich aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) ergeben:

  • Freie Kombinationswirkstoffe: Der G-BA wird Kriterien benennen, für welche freien Kombinationswirkstoffe ab Mai 2023 der neue gesetzliche Abschlag von 20 Prozent zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Erstattungsbetrag gilt. Gleichzeitig wird er Details zum Antragsverfahren für pharmazeutische Unternehmer entwickeln, die sich bei einem erwartbaren mindestens beträchtlichen Zusatznutzen von diesem Abschlag befreien lassen können.  
  • Orphan Drugs: Der G-BA wird im Laufe des Jahres alle Arzneimittel gegen seltene Leiden, sogenannte Orphan Drugs, neu bewerten, die am 1. Dezember 2022 die Umsatzschwelle von nun 30 Mio. Euro überschritten haben. Zuvor betrug die Umsatzschwelle 50 Mio. Euro.

Thema: AMNOG – Nutzenbewertung von Arzneimitteln

HTA-Bewertung in Europa

Die Bewertung von Gesundheitstechnologien, sogenannte HTA-Bewertung (Health Technology Assessment), wird ab dem Jahr 2025 auf europäischer Ebene erfolgen. Schon seit einiger Zeit arbeitet der G-BA – zusammen mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) – am Aufbau des Verfahrens auf europäischer Ebene. Diese Aufgaben setzt er auch im laufenden Jahr fort und wird sich insbesondere bei der Prozessgestaltung einbringen, speziell im Bereich der Bewertungsmethodik und bei europäischen Beratungen von pharmazeutischen Unternehmen.

Austausch von Biologika in der Apotheke

Der G-BA wird sein Beratungsverfahren zu Hinweisen zur Austauschbarkeit von ärztlich verordneten Biologika durch Apotheken bis Mitte August 2023 abschließen. Dabei geht es zunächst um Hinweise zur Austauschbarkeit von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten. Ursprünglich sollte der G-BA bereits bis August 2022 über die Möglichkeiten zum Austausch von ärztlich verordneten Biologika in Apotheken beschließen. Diese Frist wurde vom Gesetzgeber durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verschoben und zugleich auch der Regelungsauftrag inhaltlich verändert.

Thema: Biologika und Biosimilars

Verordnung von Cannabisprodukten

Der G-BA wird Details für die ambulante Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Cannabis-Produkten (Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dronabinol oder Nabilon sowie Blüten und Extrakte) voraussichtlich im ersten Quartal dieses Jahres regeln. Grundlage ist eine Erhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die der G-BA Anfang Juli 2022 erhalten hatte.

Evaluation zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung

Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung). Der G-BA soll die Entwicklung dieser speziellen Leistung evaluieren und dem Bundesgesundheitsministerium darüber berichten. Zunächst muss der G-BA die Details der Evaluation in seiner Verfahrensordnung regeln. Er hat dafür im Jahr 2022 die organisatorischen Vorarbeiten getroffen und steigt nun in die Beratungen ein.

Abgrenzung von Verbandmitteln von sonstigen Mitteln zur Wundversorgung

Aufgrund von Anfragen aus der Versorgung beispielsweise zu honighaltigen Wundauflagen und zu nicht-formstabilen Zubereitungen wird der G-BA in diesem Jahr die Anlage Va der Arzneimittel-Richtlinie weiter konkretisieren. In der Anlage sind Verbandmittel (wie Kompressen oder Binden) von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung abgegrenzt. Letztere beeinflussen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkweise die Heilung der Wunde aktiv. Anders als Verbandmittel dürfen sonstige Produkte zur Wundbehandlung erst verordnet werden, wenn der G-BA ihren Nutzen geprüft und in die entsprechende Anlage der Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen hat. Bis Ende 2023 gilt eine Übergangsfrist, so dass derzeit auch sonstige Produkte zur Wundbehandlung direkt verordnet werden können, wenn sie vor der Ergänzung der Arzneimittel-Richtlinie, die am 2. Dezember 2020 in Kraft getreten ist, bereits auf dem Markt waren.

Thema: Verbandmittel und sonstige Produkte zur Wundbehandlung

Schutzimpfung gegen COVID-19

Wegen der Corona-Pandemie ist die Versorgung mit Impfungen gegen COVID-19 derzeit über eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministerium (BMG) geregelt. Diese Coronavirus-Impfverordnung des BMG soll – bezogen auf die Regelungen zum Impfanspruch – Anfang April 2023 auslaufen. An ihrer Stelle greift dann wieder das bewährte Verfahren: Der G-BA beschließt auf Basis der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut über eine Anpassung der Schutzimpfungs-Richtlinie, um den Anspruch für gesetzlich Versicherte zu regeln. Bereits im Dezember 2022 und im Januar 2023 hatte der G-BA die zuletzt veröffentlichten STIKO-Empfehlungen zur Impfung gegen COVID-19 in entsprechenden Beschlüssen aufgegriffen und so seinen Beitrag geleistet, um einen nahtlosen Übergang zwischen der Rechtsverordnung und der Regelleistung zu ermöglichen.

Thema: Schutzimpfungen

Ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV)

Zwei neue Krankheitsbilder kommen hinzu

Der G-BA plant, seine ASV-Richtlinie um zwei neue Krankheitsbilder zu ergänzen und damit die Voraussetzungen für entsprechende Versorgungskonzepte in der Praxis zu definieren: Bis zum Ende des Kalenderjahres sollen Angebote für Augentumoren und Epilepsie beschlossen werden. Damit stehen dann 22 krankheitsspezifische Versorgungsangebote für Patientinnen und Patienten mit komplexen, schwer therapierbaren und/oder seltenen Erkrankungen zur Verfügung.

Zudem wird der G-BA sich mit den Ergebnissen des Innovationsausschuss-Projektes GOAL-ASV befassen. Das Projekt hatte untersucht, welche Faktoren die ASV-Teilnahme von Arztpraxen und Krankenhäusern positiv beeinflussen und welche als Barrieren wirken. Der G-BA prüft nun, welche Erkenntnisse zur Weiterentwicklung der ASV-Richtlinie aufgegriffen werden können, beispielsweise auch in Hinblick auf die Abrechnungsziffern in den sogenannten Appendizes.

Thema: Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Bedarfsplanung

Ambulant-stationäre Notfallversorgung: Ersteinschätzungsverfahren

Bis zum Sommer 2023 soll der G-BA ein Ersteinschätzungsverfahren zur ambulant-stationären Notfallversorgung definieren, das künftig bundesweit genutzt werden soll. Dabei hat der G-BA zwei Aufgaben zu lösen: Zum einen soll er ein Instrument entwickeln, das Kranke, die sich hilfesuchend als „Notfall“ an ein Krankenhaus wenden, entsprechend nach Dringlichkeit der Hilfe einschätzt und zugleich gezielt lenkt, damit sie entweder ambulant oder stationär weiterbehandelt werden können. So soll der medizinische Bedarf je nach Schwere der Erkrankung oder Verletzung bestmöglich koordiniert werden. Zum anderen umfasst der Arbeitsauftrag an den G-BA, für jene Patientinnen und Patienten, deren Probleme eine ambulante Versorgung in den anschließenden Tagen zulassen, ein Weiterleitungsverfahren in die vertragsärztliche Versorgung zu konzipieren. So sollen betroffene Menschen entsprechend ihres medizinischen Bedarfs bestmöglich versorgt werden. In einer neuen Richtlinie wird der G-BA die Details definieren und dabei Instrumente berücksichtigen, die bereits in der Praxis genutzt werden.

Berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Behandlung bei Verdacht auf Long-COVID

Berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Behandlung bei Verdacht auf Long-COVID

Mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz wurde der G-BA beauftragt, bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID zu beschließen. Er kann hierbei Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Möglich ist es zudem, dass der G-BA das Angebot auch auf die Versorgung von Versicherten erstreckt, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die aber eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

Disease-Management-Programme (DMP)

Neues DMP Adipositas

Der G-BA wird auf der Basis der vorliegenden Leitlinienrecherchen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) seine Beratungen für das neue DMP Adipositas für Erwachsene bis zum Sommer 2023 abschließen. Fortgesetzt werden die Beratungen für ein DMP Adipositas für Kinder und Jugendliche. In den bisherigen Beratungen hat sich gezeigt, dass es inhaltlich sinnvoll ist, für Kinder und Jugendliche ein eigenes DMP aufzustellen.

Verschiedene DMP-Aktualisierungen

Im laufenden Kalenderjahr wird der G-BA die Arbeiten an den Anforderungen an die DMP für Herzinsuffizienz, Brustkrebs und Asthma abschließen. Im zweiten Halbjahr 2023 ist zudem vorgesehen, dass der G-BA mit der Aktualisierung der DMP bei Depression und koronaren Herzkrankheiten beginnen wird.

Jenseits der Arbeiten an spezifischen DMP will der G-BA eine Diskussion um die stagnierenden DMP-Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern weiterführen.

Thema: Disease-Management-Programme

Methodenbewertung

Beratung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit des G-BA im Bereich der Methodenbewertung liegt mittlerweile in der Konzeption und Begleitung klinischer Studien, um nach gesetzlicher Vorgabe die erforderlichen Daten für Nutzenbewertungen zu generieren. Ursache ist die oftmals unzureichende Datenlage bei neuen nichtmedikamentösen Interventionen, besonders im Bereich der Hochrisiko-Methoden. Zusätzlich unterstützt wird die Schwerpunktverlagerung durch die rechtlichen Möglichkeiten der Industrie, beim G-BA Anträge auf Erprobung zu stellen.

Die Zahl der Studien, die in aller Regel vom G-BA beauftragt und vollständig durch die Versichertengemeinschaft finanziert werden, steigt stetig an. Derzeit werden vom G-BA 16 klinische Studien vorbereitet oder im Auftrag des G-BA bereits durchgeführt. Seit Anfang 2023 laufen 16 weitere Verfahren, aus denen sich zusätzliche Studienprojekte ergeben werden.

Thema: Erprobungs-Richtlinien
Thema: Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
Thema: Übersicht zu Erprobungsstudien

Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (gemäß §§ 135 und 137c SGB V)

Mit einer Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden klärt der G-BA, ob die jeweilige Leistung die gesetzlichen Anforderungen an den Nutzen erfüllt und damit in den Regelleistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden kann bzw. die Leistung bestätigt werden kann. Untenstehende Verfahren werden Stand Januar 2023 beim G-BA geführt. Es ist davon auszugehen, dass im Laufe des Jahres insbesondere zu Hochrisiko-Methoden weitere Bewertungen hinzukommen werden.

  • Zur Systemischen Therapie als Psychotherapieverfahren bei Kindern und Jugendlichen liegt der Abschlussbericht des IQWiG vor. Die Bewertung des G-BA wird auf dieser Grundlage durchgeführt und voraussichtlich 2023 abgeschlossen. Der Antrag wurde von Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied im G-BA, gestellt.
  • Der Bericht des IQWiG zur Bewertung der Computertomographie-Koronarangiographie zur Diagnosestellung bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit wird im zweiten Quartal 2023 erwartet. Damit setzt der G-BA die auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung begonnenen Beratungen fort.
  • Die Bewertung der Fraktursonographie zur Diagnosestellung bei Kindern mit Verdacht auf Fraktur eines langen Röhrenknochens der oberen Extremitäten wurde Ende 2022 eingeleitet, die Bewertung des IQWiG wird im Laufe des Jahres 2023 erwartet. Der Antrag wurde von Dr. Monika Lelgemann und der Patientenvertretung gestellt.

Thema: Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die ambulante und/oder stationäre Versorgung
Thema: Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse

Früherkennung: Brustkrebs-Screening

Der G-BA berät über die Ausweitung der oberen und der unteren Altersgrenze beim Mammografie-Screening-Programm. Auslöser der Beratungen für den G-BA war die Anpassung der entsprechenden europäischen Leitlinie.

Die vom G-BA beim IQWiG beauftragte Bewertung sieht einen Hinweis auf einen Nutzen sowohl in der Altersgruppe der 45- bis 49-jährigen Frauen als auch in der der 70- bis 74-jährigen Frauen. In Deutschland haben Frauen bisher im Alter von 50 bis 69 Jahren den Anspruch, an dem Programm zur Früherkennung von Brustkrebs teilzunehmen.

Grundvoraussetzung für eine Ausweitung der Altersgrenzen durch den G-BA ist die wissenschaftliche Vorprüfung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie die strahlenschutzrechtliche Genehmigung durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Das BfS war bereits zu einer positiven Bewertung für die Erweiterung der oberen Altersgrenze gelangt. Zur unteren Altersgrenze steht der Bericht des BfS noch aus.

Thema: Brustkrebs-Früherkennung

Früherkennung: Lungenkrebs

Seit dem Jahr 2020 liegt die vom G-BA beauftragte Nutzenbewertung des IQWiG zum Einsatz der Low-Dose-Computertomografie (LDCT) zur Früherkennung von Lungenkrebs vor. Hierin wird ein Anhaltspunkt für einen Nutzen bei aktiven oder ehemaligen Raucherinnen und Rauchern festgestellt (mindestens 20 Packungsjahre).

Es ist davon auszugehen, dass in diesem Jahr eine Verordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erlassen wird. Dabei handelt es sich um eine vom G-BA abzuwartende strahlenschutzrechtliche Genehmigung. Erst nach der Rechtsverordnung kann der G-BA in seine Beratungen einsteigen. Bereits zuvor war der Bericht des Bundesamtes für Strahlenschutz zu einer positiven Bewertung der LDCT in der genannten Risikopopulation gekommen; er stellt die Voraussetzung für die BMUV-Rechtsverordnung dar.

Der Europäische Rat empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Durchführbarkeit und Wirksamkeit eines Screening-Programms zu prüfen, z. B. anhand von Durchführungsstudien. Ebenso soll die Aufmerksamkeit auf die Maßnahmen zur Ansprache der Risikopopulation gerichtet werden. Eine europäische Leitlinie, welche die Voraussetzung für ein organisiertes Früherkennungsprogramm entsprechend den Vorgaben im Sozialgesetzbuch Fünf (§ 25a SGB V) darstellt, liegt derzeit nicht vor.

Früherkennung: Kinder-Richtlinie wird überprüft

Die Gendiagnostik-Kommission hat ihre Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen aktualisiert. Hieraus ergibt sich ein Überprüfungs- und Anpassungsbedarf der Kinder-Richtlinie für den G-BA. Insbesondere geht es dabei um Regelungen zur Befundmitteilung von auffälligen Screening-Ergebnissen. Des Weiteren wird zum Anpassungsbedarf der Qualitätssicherungsmaßnahmen, zum Nachverfolgen und Abklären von auffälligen Befunden (sog. Tracking) und zur Evaluation des Screening-Angebots beraten.

Zudem überprüft der G-BA kontinuierlich, ob neue Zielerkrankungen in das Screening aufzunehmen sind. Derzeit wird konkret über die Aufnahme dieser Stoffwechselerkrankungen beraten: Homocystinurie, Propionazidämie und Methylmalonazidurie.

Außerdem berät der G-BA, ob das Kinderuntersuchungsheft um eine Stuhlfarbkarte ergänzt werden soll. Eltern könnten damit recht einfach feststellen, ob die Stuhlfarbe ihres Säuglings normal oder auffällig ist und ab wann sie die Kinderarztpraxis kontaktieren sollten. Schwere Missbildung der Gallengänge, die unbehandelt zu einem Leberversagen führen, lassen sich so frühzeitig identifizieren.

Thema: Früherkennung bei Kindern

Berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung schwer psychisch Kranker (KSVPsych-RL)

Regelungen für Kinder und Jugendliche

Bereits im Jahr 2021 hatte der G-BA eine Richtlinie für die Versorgung von schwer psychisch kranken Erwachsenen mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf verabschiedet. In diesem Jahr berät er über entsprechende Regelungen für Kinder und Jugendliche. Hintergrund ist ein gesetzlicher Auftrag (§ 92 Abs. 6b SGB V).

Seit im Sommer 2022 die Vergütungsregelung für die psychiatrische und psychotherapeutische Komplexversorgung zwischen Krankenkassen und Ärzteschaft vereinbart werden konnte, beobachtet der G-BA kontinuierlich, inwieweit sich die in der Richtlinie geforderten Netzverbünde im Versorgungssystem herausbilden.

Thema: Komplexversorgung: koordinierte Versorgung für schwer psychisch Erkrankte
Thema: Psychotherapie und psychiatrische Versorgung

Qualitätssicherung (QS)

Richtlinie zur Förderung der Transparenz und Sicherung der Qualität in der Versorgung

Um künftig Qualitätsergebnisse aller Leistungserbringer einrichtungsbezogen, risikoadjustiert, übersichtlich und verständlich auf einem Online-Vergleichsportal veröffentlichen zu können, berät der G-BA bereits seit längerem über einheitliche Anforderungen. Die Vorgaben der neuen Transparenzrichtlinie wären dann sowohl für Leistungserbringer aus dem ambulanten wie aus dem stationären Bereich bindend. Der Gesetzgeber hatte den G-BA beauftragt, mit Hilfe einer Richtlinie verbindliche Normen zu setzen. Aufgrund verschiedener technischer Umsetzungsfragen konnte dies nicht rechtzeitig erfolgen. Ein Beschluss soll nun im Laufe des Jahres getroffen werden.

Datengestützte einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung

Der G-BA hat die Aufgabe, Leistungsbereiche für eine datengestützte einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung auszuwählen und entsprechende Verfahren zu entwickeln. Das heißt, im Lauf der Versorgung werden Behandlungsdaten von Patientinnen und Patienten erhoben und verglichen, um zu erkennen, ob und an welchen Punkten es Verbesserungsbedarf gibt. In diesem Jahr will der G-BA dafür zwei neue QS-Verfahren erarbeiten und beschließen:

  • Systemische Antibiotikatherapie für den zahnärztlichen Sektor, um hohe Resistenzen gegenüber den Wirkstoffen zu reduzieren; vorgesehen ist ein Beschluss im Mai 2023.
  • Lokal begrenztes Prostatakarzinom, um Diagnostik, Indikationsstellung, Aufklärung und Nachsorge bei der häufigsten Krebserkrankung bei Männern in Deutschland zu verbessern. Erstmals werden dabei keine Daten speziell für das Verfahren erhoben, sondern ausschließlich vorhandene Daten aus Krebsregistern und Sozialdaten von den Krankenkassen genutzt.  

In diesem Jahr soll auch ein verfristetes QS-Verfahren abgeschlossen werden, das sich aus dem Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung ergab: ein einrichtungsübergreifendes sektorspezifisches Verfahren für die ambulante psychotherapeutische Versorgung. Es wird die bestehenden Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren in der Psychotherapie-Richtlinie ablösen.

Parallel zu den neuen Verfahren setzt der G-BA seinen im letzten Jahr eingeschlagenen Weg fort, die Qualitätssicherung bei der medizinischen Versorgung einfacher und aufwandsärmer aufzustellen. Geplant ist:

  • alle bestehenden Verfahren in der datengestützten QS zu überarbeiten, 
  • ein Konzept zu entwickeln, um Versorgungsbereiche mit relevanten Qualitätsdefiziten und Verbesserungspotenzialen zu identifizieren und
  • ein Beurteilungsverfahren zu erarbeiten, um rechnerisch auffällige Ergebnisse von Qualitätsindikatoren zu bewerten.

Der G-BA wird hierbei vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen unterstützt.

Thema: Datengestützte Qualitätssicherungsverfahren

Mindestmengen

Der G-BA will im Jahr 2023 bereits laufende Beratungen zu verschiedenen neuen Mindestmengen fortsetzen und nach Möglichkeit abschließen: bei kathetergestützten Aortenklappenimplantationen (TAVI), für Herztransplantationen und für die kolorektale Chirurgie bei Darmkrebs. Außerdem wird er die schon bestehende Mindestmenge zu Kniegelenk-Totalendoprothesen anpassen. Bei all diesen Operationen handelt es sich um planbare Krankenhausleistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses auch von der Leistungsmenge abhängt. Darum legt der G-BA die Höhe der jeweiligen jährlichen Mindestmenge je Ärztin und Arzt und/oder Standort eines Krankenhauses fest.

Thema: Mindestmengen für Krankenhäuser

Veranlasste Leistungen

Hilfsmittelversorgung für Menschen mit komplexen Behinderungen

Menschen mit schweren, komplexen oder mehrfachen Behinderungen sind oft auf eine Vielzahl unterschiedlicher und individuell angepasster Hilfsmittel angewiesen. Daher ist die Versorgung mit Hilfsmitteln für diese Patientinnen und Patienten sehr anspruchsvoll – das betrifft die Bedarfsfeststellung, die Verordnungen und den Genehmigungsprozess. Damit einhergehende zeitliche Verzögerungen stellen insbesondere für Kinder eine erhebliche Belastung dar. Hinzu kommt: Da sich Kinder noch in der Wachstumsphase befinden, können sich Bedarfe schnell ändern, was wiederum eine häufige Antragstellung auslöst. Die Patientenvertretung hat daher beantragt, dass der G-BA über Erleichterungen im Verordnungs- und Genehmigungsprozess berät.

Thema: Hilfsmittel

Außerklinische Intensivpflege für Kinder und Jugendliche: Qualifikationsanforderungen an die potentialerhebenden Ärztinnen und Ärzte

Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass ab dem 31. Oktober 2023 Verordnungen für außerklinische Intensivpflege nur noch auf Grundlage der im letzten Jahr in Kraft getretenen Richtlinie des G-BA (AKI-RL) ausgestellt werden dürfen. Dies umfasst das regelmäßige Erheben des sogenannten Potenzials bei beatmeten Patientinnen und Patienten. Damit soll geklärt werden, ob die Beatmungszeit der Betroffenen reduziert werden kann oder eine vollständige Entwöhnung bzw. Entfernung der Trachealkanüle möglich ist und inwieweit die Therapie optimiert werden kann. An die potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte werden in der Richtlinie hohe Qualifikationsanforderungen gestellt. Aus der Versorgung haben den G-BA Hinweise erreicht, dass insbesondere für Kinder und Jugendliche keine ausreichende Anzahl potenzialerhebender Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung steht. Der G-BA berät daher über einen möglichen Änderungsbedarf der betreffenden Richtlinie.

Thema: Außerklinische Intensivpflege

Innovationsfonds

Ergebnisse von rund 90 Projekten erwartet

In diesem Kalenderjahr wird der Innovationsausschuss beim G-BA seine bisherige Arbeit fortsetzen: Er betreut derzeit über 300 Projekte aus den Bereichen neue Versorgungsformen und Versorgungsforschung, dazu gehören auch Projekte zur Weiterentwicklung medizinischer Leitlinien. Trotz der recht deutlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf einige Förderprojekte wird der Innovationsausschuss bei rund 90 Projekten darüber entscheiden, ob sie für die Regelversorgung empfohlen werden können und an welche Organisationen der Selbstverwaltung oder andere Einrichtungen die gewonnenen Erkenntnisse gezielt weiterzuleiten sind. Selbst wenn einige Projekte den Sprung in die Regelversorgung nicht schaffen sollten, können sich aus den Abschlussberichten dennoch relevante Hinweise für andere Akteure im Gesundheitswesen ergeben (z. B. für Bundesländer, für Behörden wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder das Robert Koch-Institut sowie für die Rahmenvertragspartner).

Daneben wird der Innovationsausschuss 2023 erneut ein Konsultationsverfahren für Vorschläge zu Themen und Kriterien für eine Förderbekanntmachung anstoßen und neue Förderbekanntmachungen in den Bereichen neue Versorgungsformen und Versorgungsforschung (mit medizinischen Leitlinien) veröffentlichen.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, den Innovationsfonds zu verstetigen. Eine solche Empfehlung hatten auch die Autorinnen und Autoren des Evaluationsberichts im Jahr 2022 abgegeben, die die Arbeit des Innovationsausschusses im Auftrag des BMG untersucht hatten. Ein konkretes Gesetzesvorhaben steht derzeit noch aus.

Thema: Innovationsausschuss / Innovationsfonds