Qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP)

Gen- und Zelltherapeutika zählen aufgrund ihrer besonderen Herstellung und Wirkweise zur Gruppe der Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP). Sie enthalten Bestandteile lebender Zellen oder Nukleinsäuren und stellen innovative, gleichzeitig aber auch risikoreiche Therapien dar.

Um eine hochwertige und möglichst komplikationsfreie Behandlung mit ATMP sicherzustellen, kann der G-BA indikationsbezogen oder bezogen auf Arzneimittelgruppen qualitätssichernde Mindestanforderungen festlegen. Wie der G-BA hier vorgeht, ist im 9. Kapitel seiner Verfahrensordnung geregelt.

Mindestanforderungen an Krankenhäuser und Praxen

Die ATMP-Qualitätssicherungs-Richtlinie (ATMP-QS-RL) regelt die Qualitätsanforderungen für die Anwendung von:

  • CAR-T-Zellen bei B-Zell-Neoplasien
  • Onasemnogen-Abeparvovec bei spinaler Muskelatrophie
  • Tabelecleucel bei EBV-positiven Posttransplantationslymphomen
  • Gentherapeutika bei Hämophilie
  • Eladocagene exuparvovec bei AADC-Mangel

Nur Krankenhäuser und Praxen, die die Mindestanforderungen nachweislich erfüllen, dürfen Leistungen im Rahmen einer ATMP-Therapie erbringen.

Servicedokumente: Für das Nachweisverfahren der Einrichtungen gegenüber dem Medizinischen Dienst stellt der G-BA Checklisten sowie ein Musterformular zur Verfügung.

Beispiele für qualitätssichernde Mindestanforderungen

QualifikationStrukturen und ProzesseSonstiges

Ärztliches Personal:
Facharztqualifikation, mehrjährige Berufserfahrung in spezialisierter Einrichtung, Mindestfallzahlen bei Behandlung mit spezifischen Diagnosen

Pflege und weitere Professionen:
Fachweiterbildungen wie Intensivpflege, Personalschlüssel

Strukturen:
Fachabteilungen/Klinken, OP-Ausstattung und Kapazität, Räumlichkeiten zur Erfüllung besonderer Hygieneanforderungen

Prozesse:
OP-Teams, Bereitschaftsdienste, Indikationsstellung z. B. durch Behandlungsteam/interdisziplinäre Fallkonferenzen, Vorbereitung/Herstellung/Transport der ATMP, Vorgehen bei Komplikationen

Wissensgenerierende Versorgung:
Teilnahme an einem Behandlungsregister

Betroffene ATMP und ihre Anwendungsgebiete

CAR-T-Zellen bei B-Zell-Neoplasien

CAR-T-Zellen sind patientenindividuell hergestellte Gentherapeutika. Der Patientin oder dem Patienten werden Immunzellen (T-Zellen) entnommen, gentechnologisch verändert und wieder zugeführt. Dank der im Labor angeregten Bildung von chimären Antigenrezeptoren (CAR) können die CAR-T-Zellen Krebszellen erkennen und bekämpfen. Bei B-Zell-Neoplasien handelt es sich um bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems.

Onasemnogen-Abeparvovec bei spinaler Muskelatrophie (SMA)

Onasemnogen-Abeparvovec ist eine Gentherapie, die bei bestimmten Formen der spinalen Muskelatrophie (SMA) eine Kopie des fehlenden Gens liefert. Die Therapie soll entsprechend frühzeitig in den Krankheitsverlauf eingreifen, um das Fortschreiten der Muskelschwäche aufzuhalten. Die SMA ist eine seltene, genetisch bedingte neuromuskuläre Erkrankung.

Tabelecleucel bei EBV-positiven Posttransplantationslymphomen

Tabelecleucel ist eine Gentherapie, die aus T-Zellen geeigneter menschlicher Spender hergestellt und in mehreren Infusionszyklen verabreicht wird. Einsatzgebiet von Tabelecleucel sind in Verbindung mit einer Eppstein-Barr-Virusinfektion auftretende bösartige Lymphome bei Patientinnen und Patienten nach einer Organ- oder Stammzelltransplantation.

Gentherapeutika bei Hämophilie

Bei Gentherapeutika zur Behandlung der Hämophilie handelt es sich um gentherapeutische Arzneimittel, die den menschlichen Gerinnungsfaktor VIII bei Hämophilie A bzw. den menschlichen Gerinnungsfaktor IX bei Hämophilie B oder entsprechend modifizierte Formen exprimieren. Bei der Hämophilie handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der ein Mangel an Gerinnungsfaktoren zu einer Störung der Blutgerinnung führt.

Eladocagene exuparvovec bei AADC-Mangel

Mit der Gentherapie Eladocagene exuparvovec steht erstmals ein kausaler Therapieansatz zur Behandlung des Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase-(AADC)-Mangels zur Verfügung. Es wird intrazerebral eine funktionsfähige Genversion appliziert, die helfen soll, dass der Körper die benötigten Botenstoffe zur Signalweitergabe selbst herstellen kann. Der AADC-Mangel ist eine sehr seltene Erkrankung, bei der ein Gendefekt dazu führt, dass wichtige Signale im Nervensystem nicht übermittelt werden.