Biologika und Biosimilars: Austauschbarkeit von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln

Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel (Biologika) spielen bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis oder in der Krebstherapie eine immer wichtigere Rolle – nicht nur medizinisch, sondern auch hinsichtlich der Kostenanteile bei den Arzneimittelausgaben. In Verbindung mit der zunehmenden Verfügbarkeit von in der Regel preisgünstigeren Nachahmerpräparaten (Biosimilars) beauftragte der Gesetzgeber den G­-BA, Hinweise zu einer möglichen Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch deren Biosimilars zu geben.

Vertragsärztinnen und Vertragsärzte finden in § 40a der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA Hinweise für eine wirtschaftliche Verordnung von biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimitteln. Zur Unterstützung einer wirtschaftlichen Verordnungsweise gibt Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie zudem Informationen zu den Zusammenhängen der in Deutschland zugelassenen Biologika und ihren Biosimilars.

Über die Möglichkeiten zum Austausch von ärztlich verordneten Biologika in Apotheken hat der G-BA am 15. Juni und 16. November 2023 beschlossen. Entsprechend des gesetzlichen Auftrags werden damit Apotheken zunächst nur Hinweise beschränkt auf die Austauschbarkeit von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung gegeben. Die Regelungen in § 40b in Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie gelten ab 15. März 2024.

Therapeutische Vergleichbarkeit von Biosimilars und ihren Referenzarzneimitteln

Wirkstoffe von biologischen Arzneimitteln werden beispielsweise in lebenden Zellen von Tieren und Pflanzen oder gentechnisch veränderten Organismen gewonnen. Die meisten biologischen Arzneimittel wie Insulin, Antikörper oder Gerinnungsfaktoren werden heute biotechnologisch hergestellt.

Wie bei Arzneimitteln mit chemisch hergestellten Wirkstoffen unterscheidet man auch bei Biologika Originale (Referenzarzneimittel) und Nachahmerpräparate (sog. Biosimilars). Laufen die Schutzrechte für ein Original-/Referenzarzneimittel aus, können andere pharmazeutische Unternehmer die Zulassung von Biosimilars beantragen. Diese werden meist zu einem günstigeren Preis vermarktet und sind nicht immer völlig identisch mit dem Original(wirkstoff). Zum einen gibt es beim Einsatz von lebenden Zellen natürliche Abweichungen und zum anderen können bereits minimale Veränderungen der Herstellungsparameter Einfluss auf den Produktionsprozess haben. Das erklärt auch das im Vergleich zu klassischen Nachahmerpräparaten mit chemischen Wirkstoffen deutlich aufwendigere Zulassungsverfahren. Bei der Zulassung von Biosimilars werden in der Regel zusätzliche klinische Untersuchungen gefordert, um sicherzustellen, dass die möglicherweise vorhandenen Abweichungen – z. B. in der Bindung von Kohlenhydraten (Glykosylierung) – die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht beeinflussen.

Bei allen Biosimilars, die mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel die Zulassung erhalten haben, kann – auf Grundlage der Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit durch die Zulassungsbehörde – grundsätzlich von einer therapeutischen Vergleichbarkeit ausgegangen werden.

Ärztliche Ein- und Umstellung der Arzneimitteltherapie

Im Sinne einer wirtschaftlichen Verordnungsweise sollen Ärztinnen und Ärzte zu Beginn einer Therapie mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Produkt auswählen. In der Regel ist das, sofern vorhanden, ein Biosimilar.

Werden Patientinnen und Patienten bereits mit einem bestimmten Biologikum behandelt, sollen Ärztinnen und Ärzte prüfen, ob sie auf ein preisgünstigeres Nachahmerpräparat umgestellt werden können. Voraussetzung für die Umstellung bei einer bereits laufenden Arzneimitteltherapie ist insbesondere, dass keine patientenindividuellen medizinischen Gründe gegen den Wechsel auf ein anderes, „biosimilares“ Präparat sprechen. Dies können beispielsweise erwartbare Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten oder auch eine bestehende instabile Therapiesituation sein.

Die Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie listet biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe, zu denen es mehrere Referenzarzneimittel oder mindestens ein im Wesentlichen gleiches Nachahmerpräparat gibt. Damit erhalten Ärztinnen und Ärzte eine fortlaufend aktualisierte Übersicht über den in Deutschland verfügbaren Biologika-Markt und eine Hilfestellung bei der wirtschaftlichen Verordnung. Die Übersicht hat keinen abschließenden Charakter. Ärztinnen und Ärzte können Biosimilars bereits mit Markteintritt bei der Verordnung berücksichtigen, auch wenn diese noch nicht in der Anlage VIIa gelistet sind.

Sowohl bei der Erstverordnung als auch bei der Umstellung gilt aber: Sofern die Krankenkasse der Versicherten oder des Versicherten für ein Arzneimittel einen Rabattvertrag abgeschlossen hat, ist auf diesem Wege die Wirtschaftlichkeit der Verordnung sichergestellt. Ein weiterer Kostenvergleich durch die Ärztin oder den Arzt ist dann nicht notwendig.

Austauschbarkeit in Apotheken ab 15. März 2024

Ab 15. März 2024 gelten die Regelungen des neuen § 40b in Abschnitt M der Arzneimittel-Richtlinie zur Austauschbarkeit bei ärztlich verordneten Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln mit biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen in Apotheken. Bei solchen Zubereitungen handelt es sich um zumeist patientenindividuell von Apotheken hergestellte Infusions- oder Injektionslösungen, die der Patientin oder dem Patienten unmittelbar in der ärztlichen Praxis verabreicht werden.

  • Für die Herstellung von parenteralen Zubereitungen mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln sollen Apotheken wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Produkt auswählen. Steht ein Arzneimittel mit Rabattvertrag der Krankenkasse der oder des Versicherten zur Verfügung, ist damit die Wirtschaftlichkeit sichergestellt und ein weiterer Kostenvergleich ist dann nicht notwendig. Besteht kein Rabattvertrag, sind grundsätzlich die Bestimmungen der sog. Hilfstaxe zu berücksichtigen.
  • Wesentliche Voraussetzung für den Austausch gegen ein preisgünstiges Produkt ist, dass das ärztlich verordnete mit dem von der Apotheke verarbeiteten Fertigarzneimittel mindestens in denselben Applikationsarten übereinstimmt. Zudem ist eine Übereinstimmung mindestens für die Anwendungsgebiete des verordneten Fertigarzneimittels notwendig. Eine Ersetzung kann grundsätzlich im Verhältnis eines Referenzarzneimittels zu seinen Biosimilars sowie zwischen Biosimilars untereinander erfolgen, sofern diese mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel zugelassen sind. Die Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie – eine Übersicht über die Zusammenhänge der in Deutschland zugelassenen Biologika sowie deren Biosimilars – dient dabei den Apotheken als eine Grundlage zur Austauschentscheidung.

Wenn die Ärztin oder der Arzt einen Austausch des verordneten Biologikums aus medizinisch-therapeutischen Gründen ausgeschlossen hat, entfällt die Pflicht der Apotheke für einen Austausch. Zudem kann die Apotheke unter Würdigung patientenindividueller Aspekte von einer Ersetzung absehen. Das wäre beispielsweise bei entsprechender Kenntnis der Apotheke von in der Vergangenheit aufgetretenen Nebenwirkungen, Unverträglichkeiten oder Allergien der oder des Versicherten denkbar.