Pres­se­mit­tei­lung | Metho­den­be­wer­tung

Brachy­the­rapie bei Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs wird auch ambu­lant eine Behand­lungs­al­ter­na­tive

Berlin, 17. September 2020 – Pati­enten mit Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs erhalten mit der Low-​Dose-Rate (LDR)-​Brachytherapie nun auch in der ambu­lanten Versor­gung eine weitere Behand­lungs­al­ter­na­tive. Den entspre­chenden Beschluss fasste der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G-BA) am Donnerstag in Berlin. Die Brachy­the­rapie ist ein orga­ner­hal­tendes, mini­mal­in­va­sives Bestrah­lungs­ver­fahren, bei dem die Strah­len­quelle in den Körper einge­bracht wird. Im Vergleich zu den anderen verfüg­baren Thera­pie­al­ter­na­tiven, wie Entfer­nung der Prostata oder äußere Strah­len­the­rapie, weist die Brachy­the­rapie ein anderes, häufig für den Pati­enten vorteil­haf­teres Neben­wir­kungs­profil auf.

„Die LDR-​Brachytherapie erwei­tert für Männer, die an Prosta­ta­krebs erkrankt sind, die Behand­lungs­mög­lich­keiten. Im Vergleich zu den verfüg­baren Thera­pie­op­tionen hat die innere Strah­len­the­rapie andere Vor- und Nach­teile: Insbe­son­dere für Pati­enten, die eine Entfer­nung der Prostata als zu belas­tend ablehnen und für die auch eine mehr­wö­chige äußere Strah­len­the­rapie nicht in Frage kommt, kann die LDR-​Brachytherapie die geeig­nete Thera­pie­op­tion sein. Da die indi­vi­du­elle Lebens­si­tua­tion eines Pati­enten bei der Entschei­dung von beson­derer Bedeu­tung ist, hat der G-BA die Brachy­the­rapie mit einer stan­dar­di­sierten Pati­en­ten­in­for­ma­tion verbunden, die der Arzt oder die Ärztin dem Pati­enten verpflich­tend aushän­digen muss. Ziel ist es, den persön­li­chen Abwä­gungs­pro­zess zu unter­stützen“, erläu­terte Dr. Monika Lelge­mann, unpar­tei­isches Mitglied des G-BA und Vorsit­zende des Unter­aus­schusses Metho­den­be­wer­tung.

Behand­lung eines Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs mit LDR-​Brachytherapie

Prosta­ta­krebs – eine bösar­tige Verän­de­rung der Vorste­her­drüse – ist die häufigste Krebs­er­kran­kung des Mannes und tritt über­wie­gend im fort­ge­schrit­tenen Lebens­alter auf. Bei einem Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs ist der bösar­tige Tumor auf die Prostata begrenzt. Es sind nur einzelne Bereiche des Organs mit Krebs­zellen befallen, die wenig aggressiv sind.

Bei der inter­s­ti­ti­ellen LDR-​Brachytherapie werden schwach radio­ak­tive Strah­lungs­quellen (Low-​Dose-Rate, LDR) über Hohl­na­deln in die Prostata einge­bracht, um den Krebs von innen zu bestrahlen und die bösar­tigen Tumor­zellen zu zerstören. Kran­ken­häuser können die innere Strah­len­the­rapie bei Pati­enten bereits heute anwenden, wenn sie bestimmte quali­täts­si­chernde Maßnahmen einhalten. Künftig gelten ange­passte Anfor­de­rungen sowohl für Kran­ken­häuser als auch für nieder­ge­las­sene Ärztinnen und Ärzte. So dürfen beispiels­weise nur Fach­ärz­tinnen und Fach­ärzte für Strah­len­the­rapie oder Urologie die Brachy­the­rapie durch­führen, die zusätz­lich über einen Nach­weis der erfor­der­li­chen Fach­kunde gemäß Richt­linie Strah­len­schutz in der Medizin verfügen.

Vor- und Nach­teile der Brachy­the­rapie im Vergleich zu verfüg­baren Behand­lungs­al­ter­na­tiven

Als Behand­lungs­mög­lich­keiten eines Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs stehen neben der Brachy­the­rapie auch die opera­tive Entfer­nung der Prostata und die äußere Strah­len­the­rapie zur Verfü­gung. Da ein Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs oft nur sehr langsam oder gar nicht wächst, kommt für die betrof­fenen Männer zudem die Stra­tegie der aktiven Über­wa­chung in Betracht. In diesem Fall kontrol­lieren Ärztinnen und Ärzte den Krebs mithilfe regel­mä­ßiger Blut­tests und Gewe­be­ent­nahmen. Erst wenn der Tumor wächst, greifen sie auf andere Thera­pien zurück.

Für die ärzt­liche Thera­pie­emp­feh­lung beim Niedrig-​Risiko-Prostatakarzinom spielen viele Faktoren eine Rolle, beispiels­weise das Alter des Mannes und mögliche Begleit­er­kran­kungen. Welche Alter­na­tive ein erkrankter Mann dann wählt, ist auch eine Frage der persön­li­chen Abwä­gung. Manche Männer möchten sicher­gehen, dass der Krebs aktiv behan­delt wird und nehmen das Risiko von bestimmten Neben­wir­kungen der Thera­pie­al­ter­na­tiven wie Erek­ti­ons­stö­rungen, Beschwerden beim Wasser­lassen oder Darm­trakt­pro­bleme in Kauf. Andere wollen Neben­wir­kungen möglichst vermeiden und sind dafür bereit, regel­mä­ßige Kontroll­un­ter­su­chungen wahr­zu­nehmen. Zur Unter­stüt­zung einer soge­nannten infor­mierten Entschei­dung stellt der G-BA eine Pati­en­ten­in­for­ma­tion bereit, in der die verfüg­baren Thera­pie­al­ter­na­tiven zur Brachy­the­rapie sowie deren Vor- und Nach­teile darge­stellt werden.

Inkraft­treten der Beschlüsse

Mit seinem heutigen Beschluss hat der G-BA nicht nur die Brachy­the­rapie für die ambu­lante Versor­gung geöffnet, sondern auch den Rahmen für die statio­näre Versor­gung bestä­tigt. Die Beschlüsse werden dem Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit zur Prüfung vorge­legt und treten nach Nicht­be­an­stan­dung und Veröf­fent­li­chung im Bundes­an­zeiger in Kraft. Die Brachy­the­rapie kann als ambu­lante Leis­tung von Ärztinnen und Ärzten erst dann erbracht und abge­rechnet werden, wenn der Bewer­tungs­aus­schuss über die Höhe der Vergü­tung entschieden hat. Das Gremium, in dem Vertre­te­rinnen und Vertreter von Kran­ken­kassen und Ärzte­schaft verhan­deln, muss inner­halb von sechs Monaten nach Inkraft­treten eine Abrech­nungs­ziffer fest­setzen.

Hinter­grund: Bewer­tung der inter­s­ti­ti­ellen Brachy­the­rapie bei Niedrig-​Risiko-Prostatakrebs

Der G-BA ist vom Gesetz­geber beauf­tragt zu entscheiden, welchen Anspruch gesetz­lich Kran­ken­ver­si­cherte auf medi­zi­ni­sche Untersuchungs-​ und Behand­lungs­me­thoden haben. Im Rahmen eines struk­tu­rierten Bewer­tungs­ver­fah­rens über­prüft der G-BA, ob Methoden oder Leis­tungen für eine ausrei­chende, zweck­mä­ßige und wirt­schaft­liche Versor­gung der Versi­cherten unter Berück­sich­ti­gung des allge­mein aner­kannten Standes der medi­zi­ni­schen Erkennt­nisse in der vertrags­ärzt­li­chen und/oder statio­nären Versor­gung erfor­der­lich sind. Im Ergebnis entscheidet der G-BA darüber, ob und inwie­weit – d. h. für welche genaue Indi­ka­tion und unter welchen quali­täts­si­chernden Anfor­de­rungen – eine Behand­lungs­me­thode ambu­lant und/oder stationär zulasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) ange­wendet werden kann.

Das für die statio­näre und ambu­lante Versor­gung aufge­nom­mene Bewer­tungs­ver­fahren für die inter­s­ti­ti­elle Brachy­the­rapie beim lokal begrenzten Prostata­kar­zinom musste vom G-BA aufgrund einer noch unzu­rei­chenden Daten­lage ausge­setzt werden. Er legte in diesem Zusam­men­hang fest, dass die Brachy­the­rapie im Kran­ken­haus nur noch in Verbin­dung mit quali­täts­si­chernden Maßnahmen erbracht werden kann. Neue Erkennt­nisse erhoffte sich der G-BA von der soge­nannten PREFERE-​Studie (Präfe­renz­ba­sierte rando­mi­sierte Studie zur Evalua­tion von vier Behand­lungs­mo­da­li­täten beim Prostata­kar­zinom mit nied­rigem oder „frühem inter­me­diären“ Risiko). Diese Studie musste jedoch im Jahr 2016 abge­bro­chen werden, da nicht ausrei­chend viele Männer für einen Thera­pie­ver­gleich rekru­tiert werden konnten. Nach dem Abbruch der PREFERE-​Studie nahm der G-BA die Bera­tungen im Jahr 2017 wieder auf und beauf­tragte das Institut für Qualität und Wirt­schaft­lich­keit in der Gesund­heits­ver­sor­gung (IQWiG) mit einer Update-​Recherche zum Stand der wissen­schaft­li­chen Erkennt­nisse. Das IQWiG legte den beauf­tragten Rapid Report zur aktu­ellen Daten­lage im November 2018 vor.

Bei seiner anschlie­ßenden Entschei­dungs­fin­dung berück­sich­tigte der G-BA neben den Ergeb­nissen des IQWiG weitere Eviden­z­syn­thesen in Form von Health-​Technology-Assessment-Berichten, aktu­ellen syste­ma­ti­schen Über­sichten und Leit­li­nien, insbe­son­dere die deut­sche S-​3-Leitlinie. Einbe­zogen wurden vom G-BA zudem die anläss­lich der erneuten Veröf­fent­li­chung des Bera­tungs­themas einge­gan­genen Einschät­zungen einschließ­lich der dort benannten Lite­ratur sowie die Stel­lung­nahmen, die zum Beschluss­ent­wurf einge­holt wurden.


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