Pressemitteilung | Methodenbewertung

Methadon-Substitution: BMG nimmt Richtlinien-Änderungen zurück

Siegburg, den 29. August 2002 – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat gestern die am vergangenen Samstag vorgenommene Veröffentlichung seiner im Wege der Ersatzvornahme erlassenen Richtlinien zur Drogensubstitution zurück genommen. Diese war unzulässig, weil das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen einen Tag zuvor dem Ministerium die Veröffentlichung untersagt hatte.

Anders als das Sozialgericht Köln bestätigte damit die Beschwerde-Instanz die Auffassung des Bundesausschusses, dass durch eine Veröffentlichung der vom BMG vorgenommenen Änderung der geltenden Methadon-Richtlinien in unzulässiger Weise voreilig Fakten geschaffen würden. „Aus technischen Gründen“ – wie das BMG jetzt mitteilte – sei der Beschluss des LSG aber nicht mehr umsetzbar gewesen – deshalb nunmehr die Zurücknahme.

In der Sache geht es um die Ersatzvornahme des Ministeriums, mit der es in die Rechte des Bundesausschusses eingegriffen hat; es geht um unterschiedliche Auffassungen über die Kompetenz zur Regelung der Substitutionsbehandlung bei Drogenabhängigen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Während der Bundesausschuss sich auf seinen gesetzlichen Auftrag zur Bestimmung des Leistungskatalogs der GKV beruft, hatte das BMG behauptet, die Bundesärztekammer (BÄK) habe die Drogensubstitution verbindlich in Richtlinien festgelegt. Der Bundesausschuss hatte sich aber geweigert, die Richtlinien der Bundesärztekammer zu übernehmen. Der Bundesausschuss sieht die Richtlinien der BÄK wegen fehlender Rechtsgrundlage als rechtswidrig und damit als unwirksam an.

Mit gewissem Unverständnis kommentierte das LSG in der Beschlussbegründung die Behauptung des BMG, man habe die Veröffentlichung im Interesse der Vertragsärzte und der Versicherten beschleunigen müssen. Denn das „einseitige Vorgehen“ des BMG verstärke gerade deren Rechtsunsicherheit und könne zu „schweren gesundheitlichen Schäden der Drogenabhängigen“ führen.

Auch der Vorwurf, diese Auseinandersetzung werde auf dem Rücken der substituierenden Vertragsärzte ausgetragen, wird vom Landessozialgericht entkräftet: „Die Annahme indes, dass sich die Vertragsärzte strafbar machen, sieht der Senat angesichts der abweichenden Richtlinien des Bundesausschusses als abwegig an.“

Die Richtlinien des Bundesausschusses bleiben trotz der Ersatzvornahme weiterhin in Kraft. Dass diese aufgrund der gestrigen Zurücknahme unverändert gelten, bezweifelt wohl auch das BMG nicht; zumindest stellt es in dem gestern veröffentlichten Text klar, dass seine Richtlinien-Änderung weiterhin nicht wirksam ist.

Der eigentliche Widerstand der Mehrheit des Bundesausschusses und der wirkliche Anlass zur Anrufung der Sozialgerichte sind die völlig unzulänglichen Richtlinien des BMG zur Regelung der Substitutionsbehandlung. Wenn von der bisher geltenden Voraussetzung einer Zweiterkrankung abgewichen werden soll, so bedeutet dies eine völlig neue Situation – nämlich allein noch die Bekämpfung der Abhängigkeit. Dazu enthalten die neuen Richtlinien nicht die erforderlichen Regelungen; sie geben keine Auskunft über den Inhalt der notwendigen Behandlung und ihre Dauer. Auch der Inhalt der sogenannten psychosozialen Betreuung ist nicht geregelt und auch nicht, wer diesen Teil des Behandlungsprogramms sicherzustellen hat. Die deshalb völlig unzureichenden neuen Richtlinien bergen die große Gefahr in sich, dass die Substitutionsbehandlung allein auf die bloße Substitution beschränkt wird, und die Krankenkassen nur gebraucht werden sollen, um das Methadon zu bezahlen. Das ist aber eindeutig nicht deren Aufgabe; denn die bloße Substitution ist keine Krankenbehandlung, weil sie nicht von der Abhängigkeit wegführt.