Pressemitteilung | Arzneimittel

Frühe Nutzenbewertung: unparteiischer Vorsitzender zieht positive Zwischenbilanz – Kritik am Verfahren haltlos und durch Bewertungspraxis widerlegt

Berlin, 3. September 2012 – Zwanzig Monate nach Einführung der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln hat der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, eine positive Zwischenbilanz des Verfahrens gezogen. Zugleich wies er den Vorwurf von Unternehmen und Interessensvertretern der pharmazeutischen Industrie als haltlos zurück, die Bewertungen des G-BA verzögerten oder verhinderten in Deutschland die Versorgung von Patienten mit innovativen Präparaten.

„Die Zahlen der bisherigen Bewertungspraxis widerlegen diese Behauptung ganz eindeutig. Sinn und Zweck der frühen Nutzenbewertung ist es nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers, echte Innovationen von Scheininnovationen systematisch zu trennen und bei tatsächlichen Neuerungen dafür zu sorgen, dass anschließend eine faire und für alle Seiten vertretbare Preisbildung erfolgt“, sagte Hecken am Montag in Berlin.

„Das Verfahren ist transparent, rechtssicher und im Ablauf für alle Beteiligten berechenbar. Entscheidungen erfolgen nach klaren, evidenzbasierten Kriterien. Bei der Bestimmung der Vergleichstherapie steht der patientenrelevante Zusatznutzen im Mittelpunkt.“ Für weitere gesetzgeberische Änderungen an dem etablierten Verfahren gebe es bei einer differenzierten Betrachtung der bisherigen Ergebnisse keine Notwendigkeit, betonte Hecken.

Bis dato wurden alle 25 Verfahren der frühen Nutzenbewertung fristgerecht abgeschlossen. Bei 64 Prozent der Wirkstoffe konnte - gemessen an der bisherigen Standardversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung - ein positiver Zusatznutzen („gering“, „beträchtlich“ oder „nicht quantifizierbar“) festgestellt werden. 16 Prozent der Präparate erzielten sogar einen beträchtlichen Zusatznutzen. Mit dieser Bilanz liegt das deutsche Verfahren insgesamt deutlich im positiven Bereich und entspricht im europäischen und internationalen Vergleich den Ergebnissen von Arzneimittel-Bewertungen in Frankreich, Großbritannien, Kanada oder Australien.

Ein beträchtlicher Zusatznutzen wurde vier Wirkstoffen zuerkannt, neun Arzneimitteln immerhin ein geringer Zusatznutzen. Lediglich die höchste Zusatznutzenkategorie „Erheblich“ konnte bislang noch an kein Produkt vergeben werden. Bei drei Bewertungen ließ sich der Zusatznutzen zwar nicht quantifizieren, war aber dennoch positiv. Bei weiteren drei Präparaten konnte kein patientenrelevanter Zusatznutzen festgestellt werden, davon wurden zwei Wirkstoffe direkt einer Festbetragsgruppe zugeordnet.

In sechs Verfahren wurden seitens der Unternehmen unvollständige Nachweise eingereicht, insbesondere mit Blick auf die zuvor bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie. Nach der jüngsten AMG-Novelle kann in diesen Fällen umgehend ein neues Dossier eingereicht und durch den G-BA bewertet werden. Vier Präparate wurden auf Antrag von der Dossierpflicht freigestellt. Derzeit befinden sich sieben weitere Wirkstoffe im Verfahren der frühen Nutzenbewertung.

„Pharmazeutische Unternehmen haben ein legitimes ökonomisches Interesse, möglichst hochpreisige Präparate auf den Markt zu bringen und damit entsprechende Umsätze zu generieren. Die Kritik am Verfahren kann ich - aus Sicht der Unternehmen - vor diesem Hintergrund zwar nachvollziehen, ich teile sie aber in der Sache ausdrücklich nicht. Der G-BA leistet mit der Bewertung von Arzneimitteln einen unverzichtbaren Beitrag, die knappen Beitragsgelder der Solidargemeinschaft sinnvoll einzusetzen“, sagte Hecken.

Mit der Industrie wurde ein fortlaufender Erfahrungsaustausch zu spezifischen, fachlichen Fragestellungen etabliert, der großen Zuspruch erfährt. Auch das gesetzlich vorgesehene Beratungsangebot wird mittlerweile häufiger in Anspruch genommen, als das zu Beginn der Bewertungen der Fall gewesen ist. Bis jetzt gab es 87 Anfragen für eine Beratung vor Einreichung eines Dossiers. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 42, bis Mitte August verzeichnete der G-BA in diesem Jahr bereits 45 Beratungsanforderungen.

Ausführliche allgemeine Informationen zum Verfahren sind auf der Website des G-BA zu finden.