Pressemitteilung | Methodenbewertung

Hecken: Bundestag wehrt zum dritten Mal fachliche Übergriffspläne des Bundesministeriums für Gesundheit auf G-BA ab

Berlin, 26. September 2019 – Zur anstehenden abschließenden Beratung des Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung eines Implantateregisters in Deutschland erklärt Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), heute in Berlin:

„Ich bin dankbar, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages die vom Gesundheitsministerium geplante Einführung einer faktischen Fachaufsicht aller Voraussicht nach nicht mittragen werden – die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit spricht sich klar gegen einen § 94 Abs. 1a SGB V (NEU) aus und hat die Vorschrift aus dem Gesetzentwurf entfernt. Im anderen Fall wäre die fachliche Unabhängigkeit des G-BA, die auf einer Entscheidungsfindung auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse beruht, fundamental in Frage gestellt worden. Und dies unter dem Deckmantel der Verfahrensbeschleunigung und zum angeblichen Wohle der Patientinnen und Patienten.

Es ist jetzt das dritte Mal, dass der Bundestag derartige fachliche Übergriffsmöglichkeiten abwehrt und die entsprechenden Passagen aus dem Gesetzentwurf entfernt. Das BMG wollte im Januar und Frühsommer mit noch viel weitgehenderen Ideen in die Arbeit des G-BA eingreifen: Seinerzeit war geplant, durch Ministerverordnung mehr oder weniger evidenzfreie Methoden in die Versorgung einschließen zu können. Diese Vorgänge sind auch deshalb so bemerkenswert, weil nur ganz wenige unserer Beschlüsse von der Rechtsaufsicht beanstandet wurden.

Hinsichtlich der vorgesehenen Ermächtigung des BMG zum Erlass von Verfahrensvorschriften zu einer Methodenbewertung ist bedenklich, dass hier kein Bezug zu den internationalen Standards der Medizin enthalten ist – so wie dies zum Beispiel in der Arzneimittelnutzenbewertungsverordnung selbstverständlich der Fall ist. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesminister über diese unpräzise Regelung nicht versucht, quasi durch die Hintertür eine evidenzbasierte Entscheidungsfindung des G-BA auszuhöhlen oder zu erschweren. Das wäre ein großer Rückschritt, durch den Patientinnen und Patienten gefährdet und gleichzeitig auch das Wirtschaftlichkeitsgebot für den solidarisch finanzierten Leistungskatalog aufgegeben würde. Wenn der Bundesminister am Welttag der Patientensicherheit alle Akteure im Gesundheitswesen auffordert, bei ihren Entscheidungen die Sicherheit in den Vordergrund zu stellen, wäre es fatal, durch die Absenkung von Evidenzanforderungen Methoden in den Leistungskatalog aufzunehmen, über deren Sicherheit und Wirksamkeit man noch nichts oder zu wenig weiß. So macht man Patienten in erster Linie zu Versuchsobjekten, das darf nicht passieren.  

Dass es trotz mancher Optimierungspotenziale in der Arbeit des G-BA keinen Anlass für ein undifferenziertes G-BA-Bashing gibt, beweist eindrucksvoll der dem Bundestagsausschuss für Gesundheit erstattete Bericht über die Erfüllung der gesetzlich erteilten, zum Teil sehr komplexen Regelungsaufträgen aus der 18. Wahlperiode. Von den 57 neuen Aufgaben wurden faktisch alle fristgerecht erfüllt, die Verzögerungen bei den DMP „Depression“ und „Chronischer Rückenschmerz“ waren mit Blick auf die in den Bereichen sehr schwache Evidenzlage bereits vorhergesagt. Das spricht für die Qualität unserer Arbeit, denn neben der Bearbeitung der 57 Aufträge sind noch parallel ca. 1.300 „Routinebeschlüsse“ gefasst worden, die teilweise auch sehr komplex, „gefahrgeneigt“ und umstritten waren. Die Substitutionsausschlussliste, die Sicherstellungszuschläge, die gestufte Notfallversorgung, die Überarbeitung der Psychotherapierichtlinie und der Bedarfsplanungsrichtlinie und die Fortschreibung der Kinderherzrichtlinie sind nur einige wenige Beispiele.

Am Ende dieses Tages werde ich froh über das Vertrauen sein, das der Bundestag dem G-BA als Selbstverwaltungsgremium gegenüber zum Ausdruck bringt. Bedauerlich ist allerdings der deutlich gewordene Umstand, dass der Gesetzgeber uns offenbar mehr vertraut und mehr zutraut, als es die Rechtsaufsicht zu tun scheint.“

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