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Perso­nal­aus­stat­tung in psych­ia­tri­schen und psycho­so­ma­ti­schen statio­nären Einrich­tungen: Details zu den verbind­li­chen Mindest­vor­gaben sind nun veröf­fent­licht

Berlin, 22. Oktober 2019 – Der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G-BA) hat die am 19. September abschlie­ßend bera­tene Erst­fas­sung der Richt­linie über die perso­nelle Ausstat­tung der statio­nären Einrich­tungen der Psych­ia­trie und Psycho­so­matik (PPP-RL) nun auf seinen Inter­net­seiten veröf­fent­licht. Voraus­set­zung hierfür war der Abschluss der redak­tio­nellen und recht­li­chen Konsis­tenz­prü­fung der insge­samt beschlos­senen Rege­lungs­de­tails.

Erst­mals verbind­liche Mindest­vor­gaben für die Perso­nal­aus­stat­tung

Anders als unter Geltung der bishe­rigen Psychiatrie-​Personalverordnung (Psych-​PV), die ledig­lich ein Perso­nal­be­mes­sungs­in­stru­ment und die Basis für Budget­ver­hand­lungen war, werden mit der neuen Richt­linie für die psych­ia­tri­sche, kinder- und jugend­psych­ia­tri­sche und psycho­so­ma­ti­sche Versor­gung erst­mals verbind­liche perso­nelle Mindest­vor­gaben etabliert, die von den Einrich­tungen einge­halten werden müssen und die damit eine ange­mes­sene Perso­nal­aus­stat­tung verbind­lich sichern. Dies ist der wesent­liche Unter­schied zum alten Rechts­zu­stand, bei dem eine Viel­zahl von Einrich­tungen nur eine Perso­nal­aus­stat­tung hatte, die deut­lich unter den Werten der Psych-​PV lag.

Die Mindest­per­so­nal­vor­gaben sind von den einzelnen Einrich­tungen für jede thera­peu­tisch und pfle­ge­risch tätige Berufs­gruppe in Form von Voll­kraft­stunden zu berechnen und je Quartal nach­zu­weisen. Die Berech­nung erfolgt auf Basis der vom G-BA defi­nierten Faktoren, mit deren Hilfe der ermit­telte Behand­lungs­auf­wand in Mindest­per­so­nal­vor­gaben über­setzt wird. Einrich­tungs­un­ab­hängig gelten hierbei in der Richt­linie fest­ge­legte berufs­grup­pen­spe­zi­fi­sche Minu­ten­werte. Um einen Beitrag zur leit­li­ni­en­ge­rechten Versor­gung zu leisten, hat der G-BA die Minu­ten­werte der bislang geltenden Psych-​PV dort erhöht, wo in Fach­ex­per­ten­ge­sprä­chen und im Stel­lung­nah­me­ver­fahren Defi­zite benannt worden sind: Bei der psycho­lo­gi­schen Betreuung erfolgte eine Erhö­hung der Minu­ten­werte um durch­schnitt­lich 60 Prozent, bei der Inten­siv­be­hand­lung von Pati­en­tinnen und Pati­enten um 10 Prozent. In der Kinder- und Jugend­psych­ia­trie wurden über fast alle Berufs­gruppen hinweg die Minu­ten­werte um 5 Prozent erhöht.

Da die Vorgaben „Mindest­vor­gaben“ und damit Unter­grenzen sind, können die Einrich­tungen zur Sicher­stel­lung einer leit­li­ni­en­ge­rechten Behand­lung auch darüber­hin­aus­ge­hende Perso­nal­aus­stat­tungen vorhalten. So sind beispiels­weise Beson­der­heiten der struk­tu­rellen und orga­ni­sa­to­ri­schen Situa­tion eines Kran­ken­hauses bei den Budget­ver­hand­lungen vor Ort zu berück­sich­tigen. Denn die PPP-RL ist im Gegen­satz zur Psych-​PV keine Perso­nal­be­mes­sungs­grund­lage zum Zwecke der Budget­fin­dung zwischen Kran­ken­haus und Kran­ken­kassen – eine über den Mindest­vor­gaben liegende Perso­nal­aus­stat­tung wird deshalb auch selbst­ver­ständ­lich finan­ziert.

Einrich­tungen müssen Einhalten der Mindest­per­so­nal­vor­gaben nach­weisen

Die psych­ia­tri­schen und psycho­so­ma­ti­schen Einrich­tungen haben einen Nach­weis über das Einhalten der Mindest­per­so­nal­vor­gaben zu führen. Die Nach­weise sind stations-​ und monats­be­zogen und diffe­ren­ziert nach Berufs­gruppen zu führen. Ziel ist es, Trans­pa­renz über den Perso­nal­ein­satz herzu­stellen, die Struk­tur­qua­lität auf den Stationen zu sichern und Daten für die Weiter­ent­wick­lung der Richt­linie zu erhalten.

Im Nach­weis­ver­fahren ist gere­gelt, in welchen Fällen von den Mindest­per­so­nal­vor­gaben abge­wi­chen werden kann, beispiels­weise bei unge­wöhn­lich hohen Pati­en­ten­zahlen oder Perso­nal­aus­fällen.

Sank­tionen bei Unter­schreiten der Mindest­per­so­nal­vor­gaben

Die Mindest­per­so­nal­vor­gaben, die zur Quali­täts­ver­bes­se­rung in der statio­nären psych­ia­tri­schen und psycho­so­ma­ti­schen Versor­gung beitragen sollen, werden bei Unter­schreiten mit Vergü­tungs­aus­schluss sank­tio­niert, wenn sie einrich­tungs­be­zogen in einem Zeit­raum von drei Monaten nicht erfüllt werden.

Mit Hilfe von Über­gangs­re­ge­lungen stellt der G-BA sicher, dass die Mindest­vor­gaben in der Praxis nicht dazu führen, dass in denje­nigen Einrich­tungen, die die Perso­nal­vor­gaben nicht unmit­telbar umsetzen können, Pati­en­tinnen und Pati­enten nicht behan­delt werden können. So sieht die PPP-RL eine Über­gangs­zeit von vier Jahren vor, in der die Einrich­tungen zunächst 85 und dann 90 Prozent der Mindest­vor­gaben erfüllen müssen. Kran­ken­häu­sern soll so die Möglich­keit gegeben werden, ihre Perso­nal­aus­stat­tung anzu­passen, denn durch die verpflich­tenden Mindest­vor­gaben entsteht ein erheb­li­cher Perso­nal­mehr­be­darf, der in vielen Regionen nicht ad hoc gedeckt werden kann, weil nicht genü­gend ausge­bil­dete Thera­peu­tinnen und Thera­peuten und Pfle­ge­kräfte zur Verfü­gung stehen. Auf diesen akuten Perso­nal­mangel haben viele Einrich­tungen inner­halb des Bera­tungs­ver­fah­rens hinge­wiesen. Der Über­gangs­zeit­raum gibt die Chance, Ausbil­dungs­ka­pa­zi­täten zu erhöhen.

Veröf­fent­li­chungs­pflichten der Kran­ken­häuser

Die Infor­ma­tion, ob und in welchem Umfang die Mindest­vor­gaben für die Perso­nal­aus­stat­tung erfüllt werden, wird zukünftig in den Quali­täts­be­richten der Kran­ken­häuser veröf­fent­licht.

Weiter­ent­wick­lung der Richt­linie

Der G-BA hat in der beschlos­senen Erst­fas­sung der PPP-RL einen verbind­li­chen Zeit­plan für die Weiter­ent­wick­lung und Anpas­sung der Inhalte fest­ge­legt. Die Erst­fas­sung der PPP-RL mit Orien­tie­rung an der Psych-​PV stellt dementspre­chend nur eine erste Stufe auf dem Weg zu einem zukunfts­ori­en­tierten Modell dar – war aber notwendig, da die Psych-​PV derzeit der einzige exis­tie­rende Stan­dard ist, der empi­risch herge­lei­tete konkrete Perso­nal­zahlen für alle Berufs­gruppen vorgibt und sich in der Praxis prin­zi­piell bewährt hat.

Eine erste Anpas­sung der Richt­linie erfolgt mit Beschluss zum 30. September 2021. Hierbei ist unter anderem eine Über­prü­fung der Minu­ten­werte vorge­sehen. Unter anderem auf der Basis der im Nach­weis­ver­fahren gewon­nenen empi­ri­schen Daten über­prüft der G-BA anschlie­ßend alle zwei Jahre die Notwen­dig­keit einer Anpas­sung. 

Inkraft­treten der Richt­linie

Der Beschluss wird nun dem Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit (BMG) zur Prüfung vorge­legt und tritt – nach Nicht­be­an­stan­dung durch das BMG und Veröf­fent­li­chung im Bundes­an­zeiger – zum 1. Januar 2020 in Kraft.

In den Tragenden Gründen zum Beschluss sind nähere Erläu­te­rungen zu den Rege­lungen einschließ­lich der Anlagen darge­legt. Bestand­teil dieser beschluss­be­grün­denden Doku­men­ta­tion sind zudem die 25 Stel­lung­nahmen, die den G-BA zum ursprüng­li­chen Beschluss­ent­wurf erreicht hatten, die Würdi­gung der Stel­lung­nahmen und das Wort­pro­to­koll der Anhö­rung.

Hinter­grund

Mit dem Gesetz zur Weiter­ent­wick­lung der Versor­gung und der Vergü­tung für psych­ia­tri­sche und psycho­so­ma­ti­sche Leis­tungen (PsychVVG) hatte der G-BA den Auftrag erhalten, verbind­liche Mindest­vor­gaben für die Ausstat­tung mit dem für die Behand­lung erfor­der­li­chen thera­peu­ti­schen Personal fest­zu­legen.

Der G-BA hat am 19. September 2019 die Erst­fas­sung einer Richt­linie zur Perso­nal­aus­stat­tung in Psych­ia­trie und Psycho­so­matik beschlossen.

Grund­lage der beschluss­vor­be­rei­tenden Bera­tungen waren die Ergeb­nisse von zahl­rei­chen Exper­ten­work­shops zu ausge­wählten psychi­schen Erkran­kungen auf Basis von S3-​Leitlinien, zudem wurden die Erkennt­nisse aus umfas­senden Evidenz­re­cher­chen zu Mindest­an­for­de­rungen an die Perso­nal­aus­stat­tung in der Psych­ia­trie und Psycho­so­matik berück­sich­tigt. Diese beinhalten sowohl die Ergeb­nisse syste­ma­ti­scher Recher­chen der verfüg­baren Lite­ratur als auch der natio­nalen und inter­na­tio­nalen Stan­dards in der Perso­nal­aus­stat­tung. Weiterhin sind die aus dem gesetz­lich vorge­se­henen Stel­lung­nah­me­ver­fahren gewon­nenen Erkennt­nisse zentrale Bausteine der neuen Richt­linie. Einbe­zogen waren betrof­fene medizinisch-​wissenschaftliche Fach­ge­sell­schaften und weitere Insti­tu­tionen, unter anderem auch die Vereinte Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di.

Die nach einer euro­pa­weiten Ausschrei­bung bei einer Gruppe von Wissen­schaft­lern der GWT-TUD GmbH beauf­tragte Studie zur Perso­nal­aus­stat­tung in Psych­ia­trie und Psycho­so­matik wurde wegen offener fach­li­cher und recht­li­cher Fragen bisher nicht vom G-BA abge­nommen. Für die Bera­tungen in den Gremien des G-BA zur Entwick­lung der neuen Richt­linie wurde die Studie daher auch nicht berück­sich­tigt.


Beschluss zu dieser Pres­se­mit­tei­lung

Perso­nal­aus­stat­tung Psych­ia­trie und Psychosomatik-​Richtlinie: Erst­fas­sung