Welt-Frühgeborenen-Tag: Qualitätssichernde Mindestmengen für Krankenhäuser sorgen für den bestmöglichen Start ins Leben
Berlin, 13. November 2025 – Etwa 8.000 Kinder kamen in Deutschland 2023 zu früh auf die Welt und wogen bei ihrer Geburt lediglich zwischen 500 und 1.500 Gramm. Anlässlich des diesjährigen Welt-Frühgeborenen-Tags am 17. November unterstreicht Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Bedeutung einer bundesweit einheitlichen Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung dank sogenannter Mindestmengen: „Kinder, die bei ihrer Geburt nur einen Bruchteil des durchschnittlichen Geburtsgewichts erreichen, haben dann beste Chancen auf einen weitestgehend sicheren und guten Start ins Leben, wenn sie in Kliniken mit einem erfahrenen Behandlungsteam geboren werden. Wissenschaftliche Studien belegen: Bei der höchst anspruchsvollen, aber planbaren medizinischen Versorgung von stark untergewichtigen Frühchen werden mit steigender Erfahrung auch bessere Behandlungsergebnisse erzielt. Damit möglichst viele Kinder von diesen Voraussetzungen profitieren, definiert der G-BA Qualitätsstandards für die sichere Versorgung von extrem untergewichtigen Frühchen.“
Diese qualitätssichernden Mindestmengen für Krankenhäuser legt der G-BA im Auftrag des Gesetzgebers fest. Sie müssen erreicht werden, damit planbare, aber anspruchsvolle Leistungen, bei denen ein Zusammenhang zwischen Fallzahlen (Leistungsmenge) und der Behandlungsqualität nachweisbar ist, von den gesetzlichen Krankenkassen vergütet werden. Bei der Versorgung von extrem untergewichtigen Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1.250 Gramm müssen Klinikstandorte mindestens 25 solcher Geburten pro Jahr betreuen. Die Mindestmengen-Transparenzkarte des AOK-Bundesverbandes verzeichnet aktuell bundesweit 140 Zentren, die nächstes Jahr an einer solcher Frühgeborenen-Versorgung beteiligt sein werden.
Hecken weiter: „Die Mindestmenge schützt jene Kinder, die eine exzellente Versorgung dringend brauchen. Dahinter müssen auch wirtschaftliche Interessen von Krankenhäusern zurücktreten, wie kürzlich die Urteilsbegründung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zeigte. Es wies eine Klage gegen die vom G-BA angehobene Mindestmenge bei der Versorgung von Frühgeborenen ab und begründet dies damit, dass der Schutz des menschlichen Lebens zentral ist, auch wenn nur wenige Leben durch höhere Qualitätsstandards gerettet werden. Wir nehmen den vom Gesetzgeber an uns gerichteten Auftrag sehr ernst und sorgen dafür, dass untergewichtige Frühgeborene bundesweit eine gute Versorgungsqualität erhalten. Eine Ausnahme von der Mindestmenge ist auf Landesebene möglich, muss aber gut begründet sein und braucht das Einvernehmen mit den regionalen Krankenkassen und deren Landesverbänden.“
Mit Blick auf die kürzlich von den Bundesländern Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt eingereichte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Festsetzen von Mindestmengen durch den G-BA sagt Hecken: „Auch für Bundesländer, zu deren Aufgabe die Krankenhausplanung gehört, sollte der Schutz des Lebens vornehmste Aufgabe sein – nicht nur am Welt-Frühgeborenen-Tag.“
Hintergrund: Mindestmengen für die Versorgung von untergewichtigen Frühgeborenen
Geburten von extrem untergewichtigen Kindern sind in der Regel planbar, also keine Notfälle. Ihnen geht eine längere Entscheidungsphase voraus. Denn die drohende Frühgeburt ist üblicherweise Folge einer Erkrankung der werdenden Mutter in der Schwangerschaft, die in der Regel erkannt und adäquat therapiert werden kann. Durch Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzte werden Risikofaktoren der Schwangeren standardmäßig erfragt und weiter abgeklärt. So können Mutter und Kind ggf. schon vor der Geburt behandelt und die für die Geburt notwendigen Entscheidungen wie die Auswahl der Klinik getroffen werden. Eine frühzeitige stationäre Aufnahme der Schwangeren zielt darauf ab, die Frühgeburt hinauszuzögern und die Lungenreife des Ungeborenen medikamentös zu unterstützen.
Der G-BA ist gesetzlich beauftragt, planbare stationäre Leistungen zu identifizieren, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von medizinischen Behandlungen und der Ergebnisqualität besteht. Für diese Leistungen legt er auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse Mindestmengen je Ärztin und Arzt und/oder je Standort eines Krankenhauses fest. Er beurteilt dabei auch, wie sich die Mindestmengen auf Fahrtzeiten und -wege auswirken.
Im Jahr 2020 hatte der G-BA auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse beschlossen, die Mindestmenge für untergewichtige Früh- und Reifgeborene unter 1.250 Gramm schrittweise von 14 auf 25 hochzusetzen. Seit dem Jahr 2024 dürfen nur noch jene Spezialkliniken (Perinatalzentren Level-1) diese untergewichtigen Neugeborenen versorgen, die die erhöhten Mindestvorgaben erfüllen.
Denn die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Gewicht von weniger als 1.250 Gramm stellt überdurchschnittliche fachliche Anforderungen an das Personal: Das Ineinandergreifen verschiedener Professionen, Qualifikationen und Fertigkeiten bzw. die Verfügbarkeit eines interdisziplinären und interprofessionellen Teams ist für das Behandlungsergebnis von erheblicher Bedeutung. Zudem müssen alle involvierten Berufsgruppen durch Routinen in den ineinandergreifenden Behandlungsschritten über ein Mindestmaß an klinischer und praktischer Erfahrung verfügen.