Pres­se­mit­tei­lung | Metho­den­be­wer­tung

Lipo­suk­tion bei Lipödem bietet Poten­zial als Behand­lungs­al­ter­na­tive

Berlin, 20. Juli 2017– Die Lipo­suk­tion (Fett­ab­sau­gung) bei Lipödem bietet nach Auffas­sung des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA) das Poten­zial als erfor­der­liche Behand­lungs­al­ter­na­tive. Eine endgül­tige Entschei­dung darüber, ob diese Opera­tion künftig ambu­lant zulasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) erbracht werden kann, ist auf Basis der vorlie­genden wissen­schaft­li­chen Erkennt­nisse jedoch noch nicht möglich. Der G‑BA hat am Donnerstag in Berlin wegen der proble­ma­ti­schen Studi­en­lage beschlossen, die laufende Bewer­tung der Methode auszu­setzen und eine Studie zur Verbes­se­rung der Erkennt­nis­lage auf den Weg zu bringen. Mit Hilfe dieser Erpro­bungs­studie sollen die offenen Fragen beant­wortet werden.

„Wir wissen um den Leidens­druck der Pati­en­tinnen und die großen Erwar­tungen, die mit der Anwen­dung der Lipo­suk­tion verbunden sind. Bei der Aufnahme des Bera­tungs­ver­fahren hatten wir die Hoff­nung, gute wissen­schaft­liche Studien zum medi­zi­ni­schen Nutzen des Eingriffs für die Pati­en­tinnen zu finden. Schließ­lich handelt es sich um einen Eingriff, der bereits seit den 1990er Jahren ange­wendet wird. Leider hat sich diese berech­tigte Erwar­tung nicht erfüllt, wir hätten uns hier ein anderes Ergebnis der Studi­en­re­cherche und -​auswertung gewünscht. Statt­dessen müssen wir fest­stellen, dass die vorhan­denen Studien entschei­dende Fragen – beispiels­weise zur Notwen­dig­keit von Wieder­ho­lungs­ein­griffen oder zur Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Lymph­bahnen nach der Opera­tion – offen­lassen. Es gibt auch keine laufenden Studien, von denen wir uns hierzu Erkennt­nisse erhoffen können. Der G-BA muss deshalb nun selbst tätig werden und das Instru­ment der Erpro­bungs­studie nutzen, um die wissen­schaft­liche Erkennt­nis­lage zu verbes­sern. Wir erwarten, dass eine entspre­chende Erpro­bungs­richt­linie im Januar 2018 beschlossen werden kann“, sagte Dr. Harald Deisler, unpar­tei­isches Mitglied im G-BA und Vorsit­zender des Unter­aus­schusses Metho­den­be­wer­tung, am Donnerstag in Berlin.

Das Lipödem ist eine chro­ni­sche fort­schrei­tende, schwer zu diagnos­ti­zie­rende Krank­heit, von der fast ausschließ­lich Frauen betroffen sind. Zur Erkran­kungs­häu­fig­keit gibt es derzeit keine gesi­cherten Daten. In der inter­na­tio­nalen statis­ti­schen Klas­si­fi­ka­tion der Krank­heiten (ICD-10 Code) ist das Lipödem – diffe­ren­ziert nach Stadien – erst seit Beginn dieses Jahres zu finden.

Gekenn­zeichnet ist das Lipödem, das umgangs­sprach­lich auch als Reiter­ho­sen­syn­drom bezeichnet wird, durch eine massive Fett­ver­tei­lungs­stö­rung. Dabei kommt es zu einer symme­tri­schen Unter­haut­fett­ver­meh­rung und der Bildung von Ödemen (Schwel­lung des Gewebes aufgrund von Flüs­sig­keits­ein­la­ge­rung). Da die Ursache der Erkran­kung bisher unbe­kannt ist, zielt die in der Regel lebens­lang anzu­wen­dende konser­va­tive Therapie wie Lymph­drai­nage, Kompres­sion, Bewe­gungs­the­rapie auf eine Linde­rung der Beschwerden ab. Die bestehende Fett­ver­meh­rung kann hiermit jedoch nicht beein­flusst werden. Die Lipo­suk­tion ist ein chir­ur­gi­scher Eingriff, bei dem das krank­heits­be­dingt vermehrte Fett­ge­webe entfernt wird. In der Regel müssen die Betrof­fenen für eine Behand­lung mehr­mals operiert werden.

Was bedeutet der G-​BA-Beschluss für den Leis­tungs­an­spruch der Pati­enten?

  • Im Rahmen der zukünf­tigen Erpro­bungs­studie werden für Studi­en­teil­neh­mende die Kosten der Lipo­suk­tion über­nommen.
  • Der regu­läre Leis­tungs­an­spruch für GKV-​Versicherte bleibt bis zu einer abschlie­ßenden Beschluss­fas­sung des G-BA unver­än­dert.

Wie sind die nächsten Schritte?

Die Beschlüsse zur Ausset­zung des Metho­den­be­wer­tungs­ver­fah­rens werden dem Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit (BMG) zur Prüfung vorge­legt und treten nach Nicht­be­an­stan­dung und Veröf­fent­li­chung im Bundes­an­zeiger in Kraft.

Anschlie­ßend wird der G-BA die Eckpunkte des Studi­en­de­signs beraten und in einer Erprobungs-​Richtlinie fest­legen. Die Erpro­bungs­studie muss so ange­legt sein, dass sie eine Bewer­tung des Nutzens und der Risiken der Lipo­suk­tion auf einem ausrei­chend sicheren Erkennt­nis­ni­veau ermög­licht. Die Eckpunkte umfassen insbe­son­dere Konkre­ti­sie­rungen zu den entspre­chenden Indi­ka­tionen, Vergleichs­in­ter­ven­tionen, pati­en­ten­re­le­vanten Endpunkten, dem jeweils benö­tigten Studi­entyp sowie zu den säch­li­chen, perso­nellen und sons­tigen Anfor­de­rungen an die Qualität der Leis­tungs­er­brin­gung.

Zu unter­su­chende offene Aspekte sind insbe­son­dere:

  • Nutzen der Lipo­suk­tion in Bezug auf Symptom­re­duk­tion, Lebens­qua­lität und Erfor­dernis (weiterer) konser­va­tiver Behand­lung im Vergleich zu nicht­in­va­siven Maßnahmen,
  • Notwen­dig­keit von Folge- bezie­hungs­weise Wieder­ho­lungs­ein­griffen sowie
  • Risiken der Opera­tionen und lang­fris­tige Sicher­heit der Methode.

Durch­füh­rung und Auswer­tung der Studie werden von einer unab­hän­gigen wissen­schaft­li­chen Insti­tu­tion über­nommen, die im Rahmen einer öffent­li­chen Ausschrei­bung ermit­telt werden muss.

Hinter­grund: Metho­den­be­wer­tung der Lipo­suk­tion

Der G-BA ist vom Gesetz­geber beauf­tragt zu entscheiden, welchen Anspruch gesetz­lich Kran­ken­ver­si­cherte auf medi­zi­ni­sche oder medizinisch-​technische Untersuchungs-​ und Behand­lungs­me­thoden haben. Im Rahmen eines struk­tu­rierten Bewer­tungs­ver­fah­rens über­prüft der G-BA deshalb, ob Methoden oder Leis­tungen für eine ausrei­chende, zweck­mä­ßige und wirt­schaft­liche Versor­gung der Versi­cherten unter Berück­sich­ti­gung des allge­mein aner­kannten Standes der medi­zi­ni­schen Erkennt­nisse in der vertrags­ärzt­li­chen und/oder statio­nären Versor­gung erfor­der­lich sind.

Zum Abschluss eines struk­tu­rierten Metho­den­be­wer­tungs­ver­fah­rens entscheidet der G-BA darüber, ob und inwie­weit – d.h. für welche genaue Indi­ka­tion und unter welchen quali­täts­si­chernden Anfor­de­rungen – eine Behand­lungs­me­thode ambu­lant und/oder stationär zulasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) ange­wendet werden kann. Lässt die wissen­schaft­liche Daten­lage noch keine sichere Entschei­dung zum Nutzen bzw. Schaden und der Notwen­dig­keit zu, muss – bei Fest­stel­lung eines Poten­zials als Behand­lungs­al­ter­na­tive – die Methode im Rahmen einer Studie erprobt werden. Für die Dauer der Erpro­bung ist das Metho­den­be­wer­tungs­ver­fahren zeit­lich befristet auszu­setzen.

Das Verfahren zur Bewer­tung der Lipo­suk­tion bei Lipödem geht auf einen Bera­tungs­an­trag der Pati­en­ten­ver­tre­tung im G-BA zurück.


Beschlüsse zu dieser Pres­se­mit­tei­lung