Newsletter

G-BA aktuell Nr. 5/2021

vom 27. Juli 2021


Arzneimittel

Inclisiran ohne belegten Zusatznutzen: G-BA bereitet Verordnungseinschränkung vor

Für den neuartigen Cholesterinsenker Inclisiran endete die Nutzenbewertung des G-BA am 15. Juli 2021 mit dem Ergebnis „Zusatznutzen nicht belegt“. Denn der Hersteller hatte keine Studiendaten vorgelegt, aus denen ein Zusatznutzen im Vergleich zu den zweckmäßigen Vergleichstherapien abgeleitet werden konnte. Inclisiran beruht auf dem neuartigen Therapieprinzip der RNA-Interferenz, einer gentherapeutischen Intervention mittels 6-Monats-Spritze. Um eine wirtschaftliche Verordnungsweise sicherzustellen, bereitet der G-BA eine Verordnungseinschränkung für Inclisiran vor und leitete dazu ein Stellungnahmeverfahren ein. Für Inclisiran fallen derzeit Jahrestherapiekosten von 5 464 bis 8 058 Euro an.

Die Verordnung von Inclisiran soll nur noch für Patientinnen und Patienten möglich sein, bei denen eine maximale diätitische und medikamentöse lipidsenkende Therapie den LDL-C-Wert nicht ausreichend senkt und für die ansonsten eine Indikation zur Durchführung einer LDL-Apherese besteht. Die Frist zur Einreichung von Stellungnahmen zur geplanten Verordnungseinschränkung von Inclisiran endet am 9. August 2021.

Inclisiran zielt auf erwachsene Patientinnen und Patienten mit Störungen des Blutfettstoffwechsels (Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie). Wurden noch nicht alle diätischen oder medikamentösen Möglichkeiten ausgeschöpft, besteht die zweckmäßige Vergleichstherapie aus einer maximal tolerierten medikamentösen Therapie mit Statinen, Cholesterinresorptionshemmern oder Anionenaustauschern. Die Kosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie reichen von 69 bis 2 593 Euro pro Jahr. Bei bereits ausgeschöpften Therapiealternativen können die monoklonalen Antikörper Evolocumab oder Alirocumab eingesetzt werden sowie – als ultima ratio – eine LDL-Apharese (Blutwäsche). Bei den monoklonalen Antikörpern hatte der G-BA bereits die Verordnung eingeschränkt, um einen wirtschaftliche Verordnungsweise sicherzustellen.

Beschluss vom 15. Juli 2021 (Nutzenbewertung)

Beschluss vom 6. Juli 2021 (Stellungnahmeverfahren)

nach oben

Bedarfsplanung

Ersteinschätzung in der Notaufnahme: G-BA startet in die Beratungen zum Verfahren

Mit einem Beschluss vom 15. Juli 2021 haben für den G-BA arbeitsreiche 12 Monate in Sachen Notfallversorgung begonnen: Er nimmt die Beratungen zum Ersteinschätzungsverfahren des Versorgungsbedarfs in der Notfallversorgung auf. Dieses Verfahren soll greifen, wenn sich Versicherte mit Krankheitsbeschwerden künftig hilfesuchend an die Notaufnahme eines Krankenhauses wenden. Ziel ist es, je nach Schwere der Erkrankung oder Verletzung den medizinischen Bedarf in den Notaufnahmen bestmöglich zu koordinieren. Das heißt, es soll zwischen jenen eintreffenden Patientinnen und Patienten unterschieden werden, die sofort stationär oder ambulant im Krankenhaus behandelt werden müssen, und solchen, die aufgrund nur leichter medizinischer Probleme einen Termin bei einer niedergelassenen Ärztin bzw. einem niedergelassenen Arzt erhalten.

Der Arbeitsauftrag stammt aus dem Gesundheitsversorgungs-weiterentwicklungsgesetz (GVWG). In einer eigenen Richtlinie wird der G-BA zahlreiche Details für die Ersteinschätzung definieren und dabei Instrumente berücksichtigen, die bereits in der Praxis genutzt werden. Beispielsweise soll er Vorgaben zur Qualifikation des Personals erlassen, das die Ersteinschätzung übernimmt. Ebenfalls vorgeben soll der G-BA, wann und wie Patientinnen und Patienten, die nicht sofort Hilfe brauchen, an Terminservicestellen, eine Portalpraxis im Krankenhaus oder an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte weitergeleitet werden.

Beschluss vom 15. Juli 2021

nach oben

Methodenbewertung

Positronenemissionstomographie beim Hodkgin-Lymphom wird neue vertragsärztliche Leistung

Vor Therapieentscheidungen bei der Behandlung von Hodgkin-Lymphomen (bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems) vor und während einer laufenden Chemotherapie kann die Positronenemissionstomographie (PET; PET/CT) künftig sowohl im Krankenhaus als auch in der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt werden. Dies hat der G-BA am 15. Juli 2021 beschlossen. Dabei kann die PET; PET/CT bei allen Untersuchungen genutzt werden, die den Ausbreitungsgrad eines bösartigen Tumors bei Erwachsenen feststellen (Staging-Untersuchungen) – sowohl bei Ersterkrankungen als auch bei Rezidiven und unabhängig von der Größe des Tumors oder von der schon erfolgten Anzahl der Chemotherapien. Ausgenommen bleibt der Einsatz der PET; PET/CT aber in der Routine-Nachsorge von Patientinnen und Patienten ohne begründeten Verdacht auf ein Rezidiv des Hodgkin-Lymphoms.

Ein wichtiges Kriterium für die Wahl der Behandlung des Hodgkin-Lymphoms ist die Stadienzuordnung vor Behandlungsbeginn oder nach Vorbehandlung, das sogenannte Staging. Dabei wird das Vorliegen oder Fehlen definierter Risikofaktoren und die Ausbreitung des Tumors im Körper festgestellt. Hier konnte ein Nutzen der PET; PET/CT gezeigt werden. Die Beschlüsse vom 15. Juli 2021 hat der G-BA einvernehmlich nach Prüfung der vorliegenden Evidenz und mit Blick auf die schon getroffenen Beschlüsse zur PET; PET/CT bei Staging-Untersuchungen beim Hodgkin-Lymphom getroffen.

Mit den getroffenen Beschlüssen konnte der G-BA seine langjährigen Beratungen zur PET; PET/CT fast abschließen. Offen ist jetzt nur noch eine Entscheidung zum Einsatz der PET; PET/CT zur weiteren Therapieplanung bei aggressiven Non-Hodgkin Lymphomen nach zwei bis vier Zyklen Chemotherapie. Um noch ausstehende Studienergebnisse abzuwarten, bleibt dieses Bewertungsverfahren bis zum 31. Dezember 2021 weiter ausgesetzt. Die Beschlüsse des G-BA treten erst nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Beschluss vom 15. Juli 2021 (Krankenhausbehandlung)

Beschluss vom 15. Juli 2021 (vertragsärztliche Versorgung)

Beschluss vom 15. Juli 2021 (Qualitätssicherungsmaßnahmen enden)

Alle 137h-Bewertungen aus der NUB-Runde 2020 abgeschlossen

Alle acht neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) mit Hochrisiko-Medizinprodukten, für die Kliniken im Jahr 2020 Zusatzentgelte beantragten und dazu Informationen an den G-BA übermittelten, hat der G-BA inzwischen geprüft. Erstes Fazit: Die Studienlage reicht beim überwiegenden Teil dieser acht Methoden für eine fundierte Bewertung noch nicht aus. Lediglich zur Methode zur Behandlung des unkontrollierbaren Zitterns (essentieller Tremor) waren die eingereichten Informationen so aussagekräftig, dass der G-BA den Nutzen bereits als hinreichend belegt bewerten konnte. Zumindest die Patientengruppe mit einem unkontrollierbaren Zittern der Hände und Beine profitiert vom gezielten Ausschalten von Hirngewebe mittels Transkranialem Magnetresonanz-gesteuertem fokussiertem Ultraschall (TK-MRgFUS). Dies gilt aber nur, wenn keine Behandlungsalternative verfügbar ist; wenn also weder Medikamente greifen, noch eine tiefe Hirnstimulation (THS) über eine implantierte Sonde infrage kommt und eine einseitige Behandlung ausreicht. Für diese Patientengruppe konnte der G-BA dem TK-MRgFUS mit einem Beschluss vom 20. Mai 2021 einen Nutzen bescheinigen.

Zu allen weiteren Methoden bzw. Patientengruppen war die vorgelegte Studienlage noch unzureichend (siehe dazu Pressemitteilung des IQWiG vom 20. Mai 2021). Der G-BA muss deshalb zu diesen Methoden Richtlinien auf den Weg bringen, in denen Eckpunkte für Erprobungsstudien definiert werden. Einzige Ausnahme: Wenn schon laufende Studien eine Erprobung doch verzichtbar machen, kann der G-BA darauf per Beschluss verzichten. Die Beschlüsse zu den Erprobungs-Richtlinien werden im Herbst 2021 gestaffelt getroffen. Um folgende Methoden geht es:

Endoskopische duodenale Thermoablation bei Diabetes mellitus Typ 2

Medikamentenbeschichteter Ballonkatheter zur transurethralen Behandlung von Harnröhrenstrikturen

Koronare Lithoplastie bei koronarer Herzkrankheit

Endovaskuläre Implantation eines Stentgrafts mit Klappenelement bei Trikuspidalklappeninsuffizienz

Transkranialer Magnetresonanz-gesteuerter fokussierter Ultraschall (TK-MRgFUS) zur Behandlung des essentiellen Tremors bei Patientinnen und Patienten, die für eine tiefe Hirnstimulation infrage kommen

Mikrovaskulären Reperfusion von Myokardgewebe mittels intrakoronar applizierter, hyperoxämischer Therapie zur additiven Behandlung bei akutem Vorderwandinfarkt

Irreversible Elektroporation bei chronischer Bronchitis

Perkutan implantierter interatrialer Shunt zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF < 40 %)

Zum Hintergrund: Für neue Untersuchungsmethoden und Behandlungsmethoden (NUB), bei denen Medizinprodukte hoher Risikoklassen zum Einsatz kommen, führt der G-BA eine Nutzenbewertung allein auf der Grundlage der vom Krankenhaus übermittelten Informationen durch, wenn eine Klinik für sie erstmals eine Zusatzvergütung beantragt. Mehr zum Thema finden Sie hier.

nach oben

Qualitätssicherung

Stationsleitungen auf Kinder-Intensivstationen haben mehr Zeit zur Nachqualifikation

Stationsleiterinnen und -leiter auf bestimmten Kinder-Intensivstationen müssen ihre Pflichtweiterbildung „pädiatrische Intensivpflege“ oder „pädiatrische Intensiv- und Anästhesiepflege“ erst zum 1. Januar 2029 nachweisen. Betroffen sind Leitungskräfte, die Kinder nach der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene und nach der Richtlinie zur Kinderherzchirurgie intensivmedizinisch versorgen. Die Verschiebung um 5 Jahre (zuvor lag der Stichtag am 1. Januar 2024) hat der G-BA mit Blick auf kurz vor dem Renteneintritt stehende Leitungskräfte vorgenommen, deren Erfahrung auch ohne die Nachqualifikation weiter genutzt werden soll. Allen jüngeren Pflegekräften, die in der Kinderintensivpflege eine Leitungsposition inne haben oder anstreben, bleibt für den 2-jährigen Lehrgang ein größeres Zeitfenster. Die Änderungen treten nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 1. Januar 2022 in Kraft.

Beschluss vom 15. Juli 2021 (QFR-Richtlinie)

Beschluss vom 15. Juli 2021 (KiHe-Richtlinie)

nach oben

Veranlasste Leistungen

AU bei Fernbehandlungen: G-BA nimmt Beratungen auf

Ärztinnen und Ärzten sollen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in geeigneten Fällen künftig auch im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung ausstellen dürfen. So sieht es der Gesetzgeber im Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz – DVPMG vor, das am 9. Juni 2021 in weiten Teilen in Kraft trat. Wie und unter welchen Voraussetzungen dies möglich wird, dazu hat der G-BA jetzt die Beratungen aufgenommen. In § 92 Absatz 4a SGB V ist Folgendes festgelegt: Im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung darf eine Arbeitsunfähigkeit längstens für 3 Kalendertage bescheinigt werden. Ohne eine Präsenzuntersuchung darf sie zudem nicht verlängert werden.

Spätestens bis Dezember 2021 wird der G-BA die Details festlegen. Wie das Instrument in der Versorgung wirkt soll er künftig alle zwei Jahre an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages berichten. Gewerkschaften und Arbeitsgeberverbände werden Gelegenheit zur Stellungnahme haben.

Beschluss zur Beratungsaufnahme vom 15. Juli 2021

nach oben

Über uns

Stellungnahmen

vom 7. Juli 2021

Pressemitteilungen und Meldungen

Neue Annahmestelle für die Krankenhaus-Qualitätsberichte geht online (vom 19. Juli 2021)

G-BA sieht „beträchtlichen Zusatznutzen“ bei zwei Wirkstoffen – HTA-Analyse der EU kommt (vom 15. Juli 2021)

G-BA passt Bedarfsplanung an aktuelle Krankenlast der Bevölkerung an (vom 15. Juli 2021)

Zweitmeinungsanspruch: G-BA startet Beratungen zu zwei weiteren Eingriffen (vom 15. Juli 2021)

Neue Übersicht zu Methodenbewertungen des G-BA online (vom 7. Juli 2021)

Karin Maag tritt Position beim Gemeinsamen Bundesausschuss an (vom 1. Juli 2021)

Kryokonservierung ab 1. Juli Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 30. Juni 2021)

Systematische Behandlung von Parodontitis ist ab 1. Juli neue GKV-Leistung (vom 30. Juni 2021)

nach oben