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G-BA aktuell Nr. 2/2022

vom 11. Februar 2022


Arzneimittel

Frühe Nutzenbewertung: Selumetinib verkleinert Neurofibrome

Bei der seltenen genetischen Erkrankung der Neurofibromatose Typ 1, auch Morbus Recklinghausen genannt, kann es zur Bildung von gutartigen Tumoren aus Nerven- und Bindegewebszellen (Neurofibrome) kommen. Eine operative Entfernung der Neurofibrome, die entlang großer Nerven und Nervengeflechte wachsen und mit Funktionseinschränkungen, Schmerzen und ästhetischen Entstellungen einhergehen können, ist oft nicht möglich. Nun steht für Kinder ab 3  Jahren und Jugendliche mit dem Wirkstoff Selumetinib erstmals eine medikamentöse Therapie gegen Neurofibrome zur Verfügung.

Die vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegten Daten zeigen, dass sich unter Selumetinib bei ca. 96 % der Patientinnen und Patienten das Volumen der Tumoren verringert. Da keine Kontrollgruppe vorlag, stellte der G-BA im Ergebnis der frühen Nutzenbewertung einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen fest. Die derzeitige wissenschaftliche Datengrundlage des neuen Orphan Drug lässt eine Quantifizierung des Zusatznutzens nicht zu. Da weitere klinische Daten erwartet werden, befristete der G-BA seinen Beschluss bis zum 1. Juli 2023 und wird dann erneut den Nutzen von Selumetinib bewerten.

Beschluss vom 3. Februar 2022


Weiteres Konzept für anwendungsbegleitende Datenerhebung beauftragt: Gentherapie Valoctocogen Roxaparvovec

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wird für die neue Gentherapie Valoctocogen Roxaparvovec das Konzept für eine anwendungsbegleitende Datenerhebung entwerfen. Das Arzneimittel zur Behandlung von Erwachsenen mit schwerer Hämophilie A ist derzeit in Europa noch nicht zugelassen, durchläuft aber bereits ein beschleunigtes Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Bei der Hämophilie A handelt es sich um eine erbliche Krankheit, bei der die Blutgerinnung aufgrund eines Mangels am Gerinnungsfaktor VIII gestört ist. Mit der neuen Gentherapie, die einmalig anzuwenden ist, soll die Produktion des fehlenden Gerinnungsfaktor VIII in den Leberzellen für längere Zeit ermöglicht werden – die bislang notwendige regelmäßige Verabreichung des fehlenden Gerinnungsfaktors würde sich damit erübrigen.

Der G-BA geht davon aus, dass mit Zulassung und Markteintritt in Deutschland noch keine vergleichenden Daten einer Behandlung mit Valoctocogen Roxaparvovec gegenüber bestehenden Therapiealternativen vorliegen werden. Daher hält er es für erforderlich, ein Verfahren zur Forderung einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung einzuleiten und das IQWiG mit einem entsprechenden Konzept zu beauftragen. Zu prüfen ist, inwieweit die Evidenzgrundlage für die Bewertung des Zusatznutzens des vorliegenden Arzneimittels durch die Erhebung von Daten aus der Versorgung verbessert werden kann. Das IQWiG wird dem G-BA sein Konzept bis zum 30. September 2022 vorlegen. Anschließend werden neben dem betroffenen pharmazeutischen Unternehmer u. a. die Bundesoberbehörden Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sowie wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften an der Erstellung des Konzepts beteiligt. Sofern erforderlich, legt der G-BA auf dieser Basis die konkreten Anforderungen an eine anwendungsbegleitende Datenerhebung fest.

Beschluss vom 03. Februar 2022

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Methodenbewertung

Eckpunkte für Erprobungsstudie zur Koronaren Lithoplastie beschlossen

Der G-BA wird eine Erprobungsstudie zur Koronaren Lithoplastie auf den Weg bringen, einer Methode zum Aufbrechen von Verkalkungen in den Herzkranzgefäßen mithilfe von Stoßwellen. Am 3. Februar 2022 beschloss er die dafür notwendigen Studieneckpunkte in einer Erprobungs-Richtlinie. Die Intervention wird bei Patientinnen und Patienten mit einer chronischen koronaren Herzkrankheit angewendet, deren Gefäße aufgrund von Verkalkungen mit einem Standard-Ballonkatheter nicht ausreichend geöffnet werden konnten. Damit soll an den entscheidenden Engstellen genug Raum für das Einbringen einer Gefäßstütze (Stent) gewonnen werden. Der Einsatz der Koronaren Lithoplastie wird in einer randomisierten kontrollierten Studie mit alternativen Behandlungsmethoden verglichen. Hierzu gehören beispielsweise Ballonkatheter mit winzigen Schneidewerkzeugen (Cutting- oder Scoring-Ballons) oder kleine Bohrköpfe, mit denen Gefäße vor dem Stenteinsatz durchfahren werden (Rotablation). Für die Studie werden nach erster Fallzahlschätzung ca. 1.800 nicht vorbehandelte Patientinnen und Patienten benötigt.

Dieses Erprobungsvorhaben ging aus einem § 137h-Verfahren hervor. Dabei bewertet der G-BA Methoden der Behandlung im Krankenhaus, bei denen Medizinprodukte hoher Risikoklasse zum Einsatz kommen und für die ein Krankenhaus eine Zusatzvergütung angefragt hat. Bei diesen Verfahren bewertet der G-BA allein auf Basis der vom Krankenhaus übermittelten Informationen und nicht auf Grundlage einer systematischen Erfassung und Bewertung der Evidenz. Wenn dabei – wie hier –  weder der Nutzen noch die Schädlichkeit oder Unwirksamkeit der Methode als belegt anzusehen ist, ist der G-BA gesetzlich verpflichtet, eine Erprobungsstudie auf den Weg zu bringen. Innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der Erprobungs-Richtlinie haben Medizinproduktehersteller die Möglichkeit zu erklären, die Finanzierung der Datenerhebung und -auswertung durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution selbst zu übernehmen. Erfolgt keine entsprechende Kostenübernahmeerklärung, trägt das GKV-System diese Kosten, die sich – basierend auf der oben genannten Fallzahlschätzung – auf ca. 5,4 Millionen Euro belaufen. Für die Ermittlung dieser Institution wird der G-BA dann ein europaweites Vergabeverfahren einleiten.

Beschluss vom 03. Februar 2022

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Qualitätssicherung

Medizinischer Dienst kontrolliert künftig auch die Personalanforderungen für Psychiatrie und Psychosomatik

In der Psychiatrie und Psychosomatik gelten flächendeckend verbindliche Mindestvorgaben an die Personalausstattung, die von den Krankenhäusern gemäß der Richtlinie zur Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) zu erfüllen sind. Ob sie eingehalten werden, wird künftig der Medizinische Dienst (MD) kontrollieren. Mit einem Beschluss vom 20. Januar 2022 verankerte der G-BA die Regeln dazu in der MD-Qualitätskontroll-Richtlinie (MD-QK-RL).

Die Kontrollen werden künftig über jährliche Stichprobenprüfungen und bei bestimmten Anlässen (zum Beispiel bei erstmaliger Leistungserbringung) erfolgen. Zudem können sie die Krankenkassen beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte, die auf eine Nichteinhaltung hinweisen, beim MD in Auftrag geben. Wann solch ein Anhaltspunkt vorliegt, wird in der MD-QK-RL näher definiert. Gegenstand der Prüfungen sind sowohl die Einhaltung der Mindestvorgaben an die Personalausstattung selbst als auch die damit verbundenen Nachweis- und Dokumentationspflichten der PPP-RL.

Der Beschluss zu den MD-Kontrollen wird derzeit noch vom BMG geprüft und tritt nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Beschluss vom 20. Januar 2022

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In eigener Sache

G-BA-Newsletter verändert sich

Unter dem neuen Namen G-BA-Fachnews stellt der G-BA seinen Newsletter ab März 2022 auf aktuelle Einzelmeldungen um. Weiterhin erhalten unsere Abonnentinnen und Abonnenten damit Informationen in der gewohnten Bandbreite, aber dann in jeweils schnell erfassbaren kleinen „Portionen“ und in einem kürzeren Rhythmus. Darüber hinaus empfehlen wir, auch unsere Pressemitteilungen und Meldungen zu abonnieren, sofern Sie diesen Informationskanal nicht ohnehin schon parallel nutzen.

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