Newsletter

Newsletter Nr. 08 – August 2010

Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse der Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 19. August 2010. Eine Kommentierung der Beschlüsse durch den Unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, finden Sie am Ende des Newsletters.


Beschlüsse der Sitzung am 19. August 2010

Richtlinie Kinderherzchirurgie (Korrektur der Anlage 1)

Arzneimittel-Richtlinie/Anlage IX (Trospiumchlorid, Gruppe 1, in Stufe 1)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IV (Aufhebung eines Therapiehinweises zu Epoetin)

Beauftragung IQWiG (Bewertung von Surrogatparametern als Endpunkte in Arzneimittelstudien in der Onkologie)

Arzneimittel-Richtlinie/Anlage V (Ergänzung - Dimet 20)

Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse (Änderung)

Beschluss zur Veröffentlichung des Qualitätsreports 2009

Richtlinie nach § 116b SGB V (Mindestmengen Verlängerung der Befristung § 6 Abs. 5)

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In Kraft getretene Beschlüsse

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IV (Therapiehinweis zu Prasugrel)

Bedarfsplanungs-Richtlinie Zahnärzte (Änderung der Anlage 6)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage VII (Ergänzung: Tramadol und Venlafaxin)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III Nummer 12 (Antidiarrhoika)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage VI (Octreotid beim hepatozellulären Karzinom)

Arzneimittel-Richtlinie/Anlage V (Ergänzung - Dimet 20)

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Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse

Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (Erstfassung)

Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (Anlage Datenflussverfahren)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Glitazone zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Glinide zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2)

Schutzimpfungs-Richtlinie/ Anlage 1 (Überarbeitung der Spaltenzuordnung in Anlage 1)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IV (Therapiehinweis zu Erythropoese-stimulierenden Wirkstoffen )

Qualitätsbeurteilungs-Richtlinie Radiologie (Neufassung)

Bedarfsplanungs-Richtlinie (Einführung eines Demografiefaktors)

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Sitzungstermine

16. September 2010
21. Oktober 2010
11. November 2010
16. Dezember 2010

In der Regel tagt der G-BA an jedem dritten Donnerstag im Monat.

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Kommentar des Unparteiischen Vorsitzenden

Am 31. August 2010 endete die Tätigkeit von Prof. Dr. med. Peter T. Sawicki als auf fünf Jahre berufener Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat Prof. Sawicki in seiner Sitzung am 19. August 2010 für seine herausragende Leistung als Leiter des Instituts gewürdigt und dabei insbesondere seine Verdienste um den Aufbau dieses Instituts und dessen von ihm geschaffenen Ansehens als einer der Evidenzbasierten Medizin verpflichteten Einrichtung hervorgehoben. Die wissenschaftliche Leistung von Prof. Sawicki hat Prof. Dr. Norbert Schmacke gewürdigt; der Wortlaut ist diesem Kommentar beigefügt.

Die ursprünglich für die Beschlussfassung in dieser Plenumssitzung vorgesehene Methodenbewertung der Protonentherapie bei einem metastasierenden Leberkarzinom wurde vertagt. Dies geschah, um zunächst eine grundsätzliche Klärung der Bewertung von Einzelfällen zu erreichen, in denen der Einsatz der Protonentherapie unter Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 6. Dezember 2005 aufgestellten Grundsätze zu Lasten der GKV bei lebensbedrohlichen Erkrankungen nach Ausschöpfen der Standardtherapie möglich bleiben muss. Diese grundsätzliche Klärung soll sich nicht auf den zu entscheidenden Sachverhalt beschränken, sondern möglichst zu einer generalisierenden Regelung führen, die für gleichgelagerte Fälle anwendbar ist und regelmäßig zu dieser Frage auftretende Konflikte vermeidet.

In der Plenumssitzung wurden auch Beschlüsse zum Fortgang des Verfahrens einer Nutzenbewertung der Vakuumversiegelungstherapie gefasst. Dieses Verfahren wirft schon wegen seiner überlangen Dauer von nunmehr 12 Jahren erhebliche Probleme auf, die auch im Plenum deutlich angesprochen wurden. Der am 16. November 2007 gefasste Beschluss zur Aussetzung der Entscheidung für die vertragsärztliche Versorgung mit dem Ziel, über ein Modellvorhaben die Evidenz der Methode zu klären, hat zu einer europaweiten Ausschreibung geführt; mit dem Ergebnis eines daraufhin erteilten Auftrages für das Modellvorhaben ist erst 2014 zu rechnen. Dementsprechend musste der zeitlich befristete Aussetzungsbeschluss verlängert werden. Gleichzeitig hat der GKV-Spitzenverband einen Antrag nach § 137c SGB V eingebracht, um zu gewährleisten, dass die Ergebnisse des Modellvorhabens auch Auswirkung auf die stationäre Versorgung haben. Sollte das Modellvorhaben nicht  zu einem Ergebnis führen oder gar abgebrochen werden müssen, wird der G-BA unverzüglich auf der vorhandenen Evidenzlage eine abschließende Entscheidung treffen müssen.

In dieser Sitzung wurde auch der Qualitätsbericht des AQUA-Instituts über die Durchführung der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung im Jahre 2009 abgenommen und zur Veröffentlichung freigegeben; die Ergebnisse werden im Rahmen der Qualitätskonferenz am 29. November 2010 ausführlich dargestellt und diskutiert werden.

Auch der das Halbjahr 2008 und das Jahr 2009 umfassende Geschäftsbericht des G-BA liegt nun vor und kann in gedruckter Form oder über das Internet http://www.g-ba.de/downloads/17-98-2888/10_08_24_GBA_Gb_web.pdf bezogen werden. 

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Würdigung von Prof. Dr. med. Peter Sawicki

in seiner Rolle als bisheriger Leiter des IQWIG, Originaltext von Prof. Dr. Norbert Schmacke (1. Stellvertreter des Unparteiischen Vorsitzenden) vorgetragen auf der G-BA-Plenumssitzung am 19.08.2010

„Peter Sawicki war aus Sicht der Evidenzbasierten Medizin (EbM) ein Glücksfall für den G-BA. Er verkörperte in idealer Weise die Philosopie der Evidenzbasierten Medizin wie sie in der viel zitierten Definition von David L. Sackett, William M. C. Rosenberg, J. A. Muir Gray, R. Brian Haynes, W. Scott Richardson aus dem Jahr 1996 zum Ausdruck kommt. Dort heißt es zu Beginn sehr einfach formuliert:

It’s about integration individual clinical expertise and the best external evidence.

Bei den oft außerordentlich harten Auseinandersetzungen um die Berichte des IQWIG blieb fast immer verborgen, dass die Heimat von Peter Sawicki die Klinik war, in der er sich um die Aufklärung der Ärzte wie der Patienten über den Stand des verfügbaren Wissens gekümmert hat. Die Faszination der EbM machte für ihn mit anderen Worten nicht das akademische Ringen um die Interpretation von Studien aus, vielmehr das Bestreben, Patienten den Fortschritt der Medizin zur Verfügung zu stellen – ohne sie Risiken auszusetzen, von denen gelegentlich weder Ärzte noch Patienten etwas ahnen. Für Peter Sawicki war deshalb auch die politische Entscheidung nicht nachvollziehbar, dass es für den stationären und den ambulanten Sektor unterschiedliche Regeln für die Verwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsverfahren gibt; jedenfalls hat er sich nachvolllziehbar dagegen gesträubt, im Rahmen der Berichte des IQWIG unterschiedliche Maßstäbe anzulegen.

Im Mittelpunkt der Streite standen sehr häufig Arzneimittelbewertungen. Die Leistungen des IQWIG gehen aber weit darüber hinaus. Und dennoch lohnt ein Blick auf die strittigen Arnzeimittelbewertungen: Sämtliche wissenschaftliche Analysen des IQWIG halten bis heute der internationalen Perspektive stand. Gerade auch in dem Feld der Diabetologie, in der Peter Sawicki in der Tat stets ein engagierter Warner vor frühzeitigem Verkünden von therapeutischem Fortschritt war. Das hat sich bei der Frage der so genannten normnahen Einstellung des Blutzuckers bestätigt, ebenso in der Problematik der fortwährenden Absenkung des Normwertes für den arteriellen Blutdruck. Und das gilt auch für die Warnung vor einem unkritischen Einsatz der Insulinanaloga. Wer so konsequent Nutzen und Risiken gegeneinander auflistet, der macht sich Feinde. Der G-BA hätte seine Beschlüsse aber ohne die konsequenten wissenschaftlich fundierten Berichte des IQWIG nicht herbeiführen können.

Was vermutlich nicht ausreichend bekannt ist: Peter Sawicki gehört zu den Pionieren evidenzbasierter Schulungsprogramme, vor allem für Patienten mit Diabetes, Bluthochdruck und Vorhofflimmern. Die von ihm entwickelten Studien zum Nutzennachweis hochwertiger Schulungsprogramme sind international zum Vorbild geworden. Und was vermutlich kaum jemand weiß: PTS hat sich in der Rolle des Forschers mit der Frage beschäftigt, wie eine umfassende Betreuung chronisch Kranker jenseits der Arzneimitteltherapie aussehen muss. So war er an einer Studie beteiligt, welche den Nutzen spezifischer psychotherapeutischer Verfahren für Typ-2-Diabetiker mit kompliziertem Erkrankungsverlauf belegt haben.

Dem IQWIG ist oft vorgeworfen worden, dass in seinen Berichten immer wieder mit dem Hinweis „ausreichende Studien stehen nicht zur Verfügung“ die Möglichkeit der Ermittlung eines therapeutischen Fortschritts verneint worden ist. Peter Sawicki hat damit auf einen erdrückenden Mangel an guter klinischer Forschung hingewiesen, ein Kernproblem für den G-BA, das inzwischen auch immer klarer in der Politik gesehen wird.

Wenn im deutschen Gesundheitswesen die evidenzbasierte Medizin heute einen deutlich höheren Stellenwert als noch vor zehn Jahren einnimmt, dann ist dies auch das persönliche Verdienst von Peter Sawicki – vor der Übernahme der Leitung des IQWIG als Kliniker und Forscher, und allemal nach Übernahme des schwierigen Amtes, das nun aufbauend auf seinen Verdiensten weitergeführt werden will.“

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