Newsletter Nr. 04 – April 2011
Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse der Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 14. April 2011. Eine Kommentierung der Beschlüsse durch den unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, finden Sie am Ende des Newsletters.
- Beschlüsse der Sitzung am 14. April 2011
- Im April 2011 in Kraft getretene Beschlüsse
- Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
- Sitzungstermine
- Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden
Beschlüsse der Sitzung am 14. April 2011
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage I (Änderung Nr. 20 Ginkgo-biloba-Blätter-Extrakt)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IX (Fluorchinolone, Gruppe 2, in Stufe 2 nach § 35 Absatz 1 SGB V)
Im April 2011 in Kraft getretene Beschlüsse
Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie bei Lebermetastasen)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Glitazone zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Reboxetin)
Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
Verfahrensordnung (Implementierung eines Moduls DMP in die Verfahrensordnung)
Verfahrensordnung (Regelung zur Einstellung der Methodenbewertung)
Verfahrensordnung (Regelung zu den Unterlagen zur Bewertung der medizinischen Methoden)
Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser / Anlage 1 (Anpassung der Datensatzbeschreibung)
Heilmittel-Richtlinie (Neufassung)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Harn- und Blutzuckerteststreifen bei Diabetes mellitus Typ 2)
Sitzungstermine
19. Mai 2011
23. Juni 2011
21. Juli 2011
18. August 2011
15. September 2011
20. Oktober 2011
24. November 2011
15. Dezember 2011
In der Regel tagt der G-BA an jedem dritten Donnerstag im Monat.
Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden
In seiner Sitzung am 14. April 2011 nahm das Plenum Abschied von Dr. Werner Gerdelmann, der am 8. April nach schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren verstorben ist. Werner Gerdelmann wurde nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn als Vorstandsvorsitzender des VdAK/AEV für die am 1. Juli 2008 beginnende zweite Amtsperiode zum stellvertretenden unparteiischen Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses berufen. Er übernahm in dieser Funktion neben der Mitwirkung im Plenum die stellvertretende Leitung der Unterausschüsse „Arzneimittel“ und „Bedarfsplanung“. In beiden von aktueller Reformgesetzgebung und Reformdiskussion geprägten Unterausschüssen konnte er sein durch langjährige verantwortliche Tätigkeit in der Selbstverwaltung der Ersatzkassen und im früheren Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erworbenes Fachwissen erfolgreich zum Nutzen der Arbeit des G-BA einbringen. Er war nicht nur ein überzeugter Vertreter der eigenständigen Selbstverwaltung der Versicherten in den Ersatzkassen, sondern auch Verfechter des Grundprinzips einer unter staatlichen Rahmenbedingungen weitgehend eigenständigen gemeinsamen Selbstverwaltung. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.
In seiner April-Sitzung hat das Plenum für die psychotherapeutische Behandlung alkohol-, drogen- oder medikamentenabhängiger Patienten eine wichtige Modifikation der Psychotherapierichtlinie vorgenommen. Die bislang geltende Unvereinbarkeit der Einleitung einer psychotherapeutischen Behandlung mit einer fortbestehenden Suchtmittelabhängigkeit wurde gelockert. Der neue Beschluss sieht vor, dass mit einer psychotherapeutischen Behandlung trotz fortbestehender Abhängigkeit begonnen werden kann, wenn Maßnahmen zum Ausstieg aus der Abhängigkeit eingeleitet wurden und die Suchtmittelfreiheit bis zum Ende von zehn Behandlungsstunden erreicht werden kann.
Zudem wurde eine Änderung der OTC-Liste beschlossen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hatte in einer vom G-BA beauftragten Nutzenbewertung festgestellt, dass bei einer Tagesdosis von 240 mg Gingko biloba Extrakt ein Nutzenbeleg für das Therapieziel „Aktivitäten für das tägliche Leben“ besteht. Zudem gibt es einen Nutzenhinweis für die Therapieziele „kognitive Fähigkeiten“, „allgemeine psychopathologische Symptome“ sowie „Lebensqualität der (betreuenden) Angehörigen“. Mit einer entsprechenden Anpassung der OTC-Liste wurde der G-BA dieser neuen Studienlage gerecht.
Zusätzlich zur Kommentierung der letzten Plenumssitzung besteht Anlass zu zwei grundsätzlichen Positionsbeschreibungen:
In den Eckpunkten der Regierungskoalition zu einem Versorgungsgesetz wird auch die Struktur des G-BA angesprochen und hinsichtlich dessen Transparenz und der Dauer von Beratungsprozessen Optimierungsbedarf gesehen. Die DKG, die KBV und die KZBV haben dies zum Anlass genommen, ihrerseits ein gemeinsames Konzept zur Neustrukturierung des G-BA in die politische Diskussion einzubringen. Die darin enthaltenen sehr weitreichenden Änderungen der Organisationsstruktur werden unter anderen damit begründet, dass das Letztentscheidungsrecht des unparteiischen Vorsitzenden die Kompromissfindung behindere und daher durch ein Einstimmigkeitsvotum von drei Unparteiischen abgelöst werden müsse. Abgesehen davon, dass es anders als in Schiedsverfahren im G-BA kein Letztentscheidungsrecht des unparteiischen Vorsitzenden gibt, sondern dieser vielmehr immer nur eine von 13 Stimmen hat, kann ich diese Argumentation nicht nachvollziehen. Nach der Statistik der bisher im Plenum getroffenen Entscheidungen sind nur 5 von 657 (0,7 vH) mit der bei einer Pattsituation für eine Mehrheitsentscheidung maßgebenden Stimme des unparteiischen Vorsitzenden zustande gekommen. In allen anderen Verfahren war die Stimme des Vorsitzenden für die Mehrheitsfindung nicht ausschlaggebend, wobei ohnehin in nur 2,4 vH der Entscheidungen mit Mehrheit gegen eine Bank entschieden wurde und in 91,4 vH einstimmige Beschlüsse zustande kamen. Anders als vielleicht vermutet, fühle ich mich gerade wegen einer möglichen Pattsituation verpflichtet, alle Anstrengungen zur Erreichung eines tragfähigen Kompromisses zu unternehmen. Es ist jedenfalls für mich in der Rolle des Vorsitzenden äußerst unbefriedigend, durch meine Stimme den Ausschlag für eine Mehrheitsentscheidung zugunsten einer Bank zu geben, zumal es sich meist um äußerst komplexe medizinische Fragestellungen handelt. Die sehr niedrige Zahl entsprechender Stichentscheidungen belegt meines Erachtens den Erfolg dieser Bemühungen. Dies gilt im Übrigen auch für die Vorbereitung konsensfähiger Beschlussvorlagen durch meine Kollegen Dr. Deisler und Dr. Siebig in den von ihnen geleiteten Unterausschüssen. Die mit dem Bemühen um Konsens manchmal verbundene längere Beratungsdauer wird durch die größere Akzeptanz konsentierter Entscheidungen mehr als aufgewogen.
Der Wechsel an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums fällt in die Phase der intensiven Vorbereitung des angekündigten Versorgungsgesetzes und einer Reform der Pflegeversicherung. Meine herzlichen Glückwünsche an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr und die parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach zur Berufung in diese hohe politische Verantwortung sind daher mit dem Wunsch verbunden, den mit den beschlossenen Eckpunkten eines Versorgungsgesetzes begonnenen Weg erfolgreich fortzusetzen. Dabei wird sich der G-BA Gesetzesänderungen, die einer Optimierung seiner Arbeit dienen, selbstverständlich nicht verschließen. Der dem G-BA mit dem AMNOG bereits übertragene neue Aufgabenschwerpunkt der Arzneimittelnutzenbewertung, die mit dem Versorgungsgesetz beabsichtigte Neuausrichtung der vertragsärztlichen Bedarfsplanung auf eine stärkere Regionalisierung und sektorenübergreifende Öffnung, die darin ebenfalls vorgesehene Eröffnung neuer Wege der sektorenübergreifenden Methodenbewertung durch zeitlich befristete Modellprojekte und schließlich die im Infektionsschutzgesetz vorgesehene Umsetzung hygienemedizinischer Anforderungen an die ambulante und stationäre Versorgung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen durch Richtlinien des G-BA erfordern jedoch eine Organisationsstruktur, die sektorenübergreifend ausgerichtet bleibt und keine Blockade von Mehrheitsentscheidungen zulässt.