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Newsletter Nr. 05 – Mai 2011

Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse der Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 19. Mai 2011. Eine Kommentierung der Beschlüsse durch den unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, finden Sie am Ende des Newsletters.


Beschlüsse der Sitzung am 19. Mai 2011

Heilmittel-Richtlinie (Änderung des Beschlusses über die Neufassung der Richtlinie vom 20. Januar 2011: Klarstellung des Geltungsbereichs; Verordnung von Massagetherapie außerhalb des Regelfalls)

Richtlinien zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch (Umsetzung der Schutzimpfungs-Richtlinie - Beratung über die Risiken einer Rötelninfektion und Erfassung der Immunitätslage)

Mutterschafts-Richtlinien (Umsetzung der Schutzimpfungs-Richtlinie - Test auf Rötelnantikörper und Erfassung der Immunitätslage)

Bedarfsplanungs-Richtlinie (Deckung des Sonderbedarfs durch Anstellung eines weiteren Arztes bei einem Facharzt)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III Nummer 38 (Otologika)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage VI (Amantadin bei der Multiplen Sklerose zur Behandlung der Fatigue)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IX und X (Testosteron-5-alpha-Reduktasehemmer, Gruppe 1, in Stufe 2 nach § 35 Absatz 1 SGB V)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage V (Änderung, DuoVisc)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage V (Änderungen)

Bedarfsplanungs-Richtlinie (Neufassung der Anlage 3.1)

Beauftragung der Institution nach § 137a SGB V: EDV- bzw. informationstechnische Aufbereitung und deren Machbarkeitsprüfung zum Qualitätssicherungsverfahren Kataraktoperation

Beauftragung der Institution nach § 137a SGB V: EDV- bzw. informationstechnische Aufbereitung und deren Machbarkeitsprüfung zum Qualitätssicherungsverfahren Konisation

Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Veröffentlichung von Ergebnissen der externen stationären Qualitätssicherung)

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Im Mai 2011 in Kraft getretene Beschlüsse

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage V (Änderungen)

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage V (Änderung, DuoVisc)

Mutterschafts-Richtlinien (Vorgaben des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG))

Mutterschafts-Richtlinien: Änderung in Anlage 3 (Mutterpass) - ärztliche Beratung

Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage VI (Anwendung von Fludarabin bei anderen als in der Zulassung genannten niedrig bzw. intermediär malignen B-NHL als CLL)

Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Änderung)

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Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse

Mutterschafts-Richtlinien: Strukturelle Anpassung des Ultraschallscreenings in der Schwangerenvorsorge

Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) bei malignen Lymphomen)

Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (Positronenemissionstomographie (PET); PET / Computertomographie (CT) bei malignen Lymphomen)

Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Positronenemissionstomographie bei Patientinnen und Patienten mit Hodgkin-Lymphomen und aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen

Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (Einleitung eines Beratungsverfahrens: Bewertung der Vakuumversiegelungstherapie gemäß § 137c SGB V)

Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (Nichtmedikamentöse lokale Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS))

Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (Nicht medikamentöse, lokale Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS))

Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei nichtmedikamentösen lokalen Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms

Verfahrensordnung (Regelung des Stellungnahmeverfahrens bei sogenannten „Nicht-Änderungs-Beschlüssen“)

Verfahrensordnung (Implementierung eines Moduls DMP in die Verfahrensordnung)

Verfahrensordnung (Regelung zur Einstellung der Methodenbewertung)

Verfahrensordnung (Regelung zu den Unterlagen zur Bewertung der medizinischen Methoden)

Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser / Anlage 1 (Anpassung der Datensatzbeschreibung)

Heilmittel-Richtlinie (Neufassung)

Psychotherapie-Richtlinie (Präzisierung zur Indikation Abhängigkeit von Alkohol, Drogen und Medikamenten)

Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (Qualitätssicherung der Anwendung der Holmium-Laserresektion der Prostata und der Holmium-Laserenukleation der Prostata zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms)

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Sitzungstermine

23. Juni 2011
21. Juli 2011
18. August 2011
15. September 2011
20. Oktober 2011
24. November 2011
15. Dezember 2011
 

In der Regel tagt der G-BA an jedem dritten Donnerstag im Monat. 

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Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden

Im Vordergrund der politischen Diskussion um den G-BA steht zur Zeit weniger seine Arbeit als seine Struktur. Kritik an der Arbeit des G-BA gibt es zwar auch, aber sie bezieht sich mehr auf die Dauer und Transparenz der Verfahren als auf die Inhalte. Dabei kommt gerade diese Kritik verständlicherweise von denjenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind. So wird der Vorwurf der Intransparenz primär von der pharmazeutischen Industrie geäußert, obwohl in der Verfahrensordnung des G-BA immer höhere Anforderungen an die Transparenz der Entscheidungsabläufe, an die Begründung von Entscheidungen und an die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Einwänden der Industrie erfüllt werden. In den einschlägigen Urteilen der Sozialgerichte wird diese Transparenz denn auch ausdrücklich anerkannt.

Das führt zu der Erkenntnis, dass für die Industrie eine Entscheidung offenbar nur dann als transparent anerkannt werden wird, wenn deren Zustandekommen von dem jeweils betroffenen pharmazeutischen Unternehmer von Anfang bis Ende mitbegleitet werden kann, er also an allen ihn betreffenden Entscheidungsabläufen persönlich beteiligt wird. Diese Art von Transparenz ist weder für normsetzende Verfahren noch für Verwaltungsverfahren auch außerhalb von Entscheidungsprozessen des G-BA gesetzlich vorgesehen. Vielmehr gewähren die dafür maßgeblichen Verfahrensgesetze ausreichende Anhörungs-, aber keine unmittelbaren Beteiligungsrechte.

Ein solcher Wunsch kann aber auch deswegen nicht akzeptiert werden, weil gerade für die Bewertung des medizinischen Nutzens von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und insbesondere von Arzneimitteln die gesetzliche Anforderung einer industrieunabhängigen, allein auf wissenschaftlicher Grundlage basierenden Bewertung besteht. Deswegen schreiben § 139a Abs. 6 und § 139b Abs. 3 SGB V ausdrücklich als Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit eine Offenlegung aller Beziehungen insbesondere zur pharmazeutischen Industrie und zur Medizinprodukte-Industrie vor. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in der Clopidogrel-Entscheidung vom 31. Mai 2006 (RdNr. 77) ausdrücklich auf die aus diesen Vorschriften ableitbare Notwendigkeit einer strengen Überprüfung von Interessenkonflikten nicht nur für die zugezogenen Sachverständigen hingewiesen.

Bei dem von einer Entscheidung betroffenen pharmazeutischen Unternehmer ist die Interessenlage eindeutig. Sein unternehmerisch berechtigtes Anliegen kann es nur sein, eine für sein Produkt negative Bewertung mit allen Mitteln zu verhindern oder zu verzögern. Deswegen erfolgt auch in anderen Ländern, die eine Industriebeteiligung im Vorfeld der Entscheidung über den Marktzugang vorsehen, die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels gerade nicht unter Beteiligung des davon unmittelbar betroffenen Unternehmens.

Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung sieht eine mündliche Anhörung aller zur Stellungnahme gegenüber dem G-BA gesetzlich berechtigten Organisationen einschließlich des betroffenen Herstellers vor, soweit sie diese beantragen und vorher eine schriftliche Stellungnahme abgegeben haben. Dies ist offensichtlich die Reaktion der Politik auf den Vorwurf der Intransparenz. Ein solches Vorgehen würde den Vorwurf der vermeintlichen Intransparenz jedoch nicht beseitigen. Dies zeigen die Erfahrungen mit den mündlichen Anhörungen zur Festbetragsgruppenbildung. Hingegen würde die Dauer der Verfahren erheblich verlängert, und dies wäre im Hinblick auf die von der Politik selbst erhobene und im Grundsatz auch berechtigte Forderung nach Verkürzung der Verfahrensdauer kontraproduktiv.

Auch die in dem Entwurf vorgesehene Wiedereinführung sektorenbezogener Besetzungsmöglichkeiten und eines Mindestquorums von neun Stimmen für den Ausschluss einer Leistung aus dem GKV-Leistungskatalog könnten zur Verlängerung der Verfahrensdauer führen. Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn ein Konsens im G-BA über das, was sektorenbezogen oder sektorenübergreifend zu entscheiden ist, nicht zustande kommt. Denkbar ist auch die Konstellation, dass für eine sektorenübergreifend bewertete Methode, je nach Anwendungsgebiet oder Indikation, sowohl Ausschluss- als auch Anerkennungsentscheidungen zu treffen sind, und sich dann das nicht erreichbare Mindestquorum für den Ausschluss blockierend auf die mit einfacher Mehrheit mögliche Entscheidung zur Anerkennung auswirken kann.

Als strukturpolitisch besonders gravierend ist die vorgesehene Neuregelung zur Benennung der Unparteiischen und deren Stellvertreter unter Beteiligung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zu werten. Es kann konstatiert werden, dass die jetzt im Referentenentwurf enthaltene Regelung gegenüber den Alternativen des Arbeitsentwurfs wesentlich entschärft ist, weil sie das Vorschlagsrecht der Trägerorganisationen unterstreicht. Eine Benennung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Wege der Ersatzvornahme soll nur dann erfolgen, wenn zu zwei möglichen Benennungsvorschlägen keine Zustimmung durch den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages erfolgt. Auch insoweit bleibt aber zu hoffen, dass das BMG bei Ausübung seines Letztentscheidungsrechts keinen Unparteiischen benennen müsste, der mangels Zustimmung des Gesundheitsausschusses zu den Vorschlägen der Trägerorganisationen auf totale Ablehnung durch diese stoßen würde.

Die dreijährige „Karenzzeit“ in der Ausübung einer aus Sicht des Referentenentwurfs nicht unparteiischen Funktion und die auf sechs Jahre begrenzte Dauer einer Tätigkeit als Unparteiischer würde den Kreis der potentiellen Mandatsträger in jedem Fall für die bereits 2012 anstehende neue Wahlperiode erheblich einschränken. Die Entwicklung insbesondere der vorstehend genannten Vorschriften des Referentenentwurfs im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist daher für die künftige Struktur des G-BA von großer Bedeutung.

Der Referentenentwurf weist dem G-BA neue oder modifizierte Aufgaben zu, die ihn - vergleichbar dem bereits seit Anfang diesen Jahres anzuwenden Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) – zweifelsohne vor weitere große Herausforderungen stellen. Dies gilt besonders für die künftig in Richtlinien des G-BA festzulegenden Anforderungen an die Öffnung der spezialisierten Versorgung für alle entsprechend qualifizierten Leistungsanbieter („jeder darf, der kann“). Zudem wird der G-BA erstmals befugt, selbst Pilotprojekte zur Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im stationären Bereich (einschließlich dazu benötigter Medizinprodukte mit dem Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative) zu beschließen. Diese neue Möglichkeit soll dazu beitragen, in angemessener Zeit eine evidenzbasierte Bewertung des medizinischen Zusatznutzens gegenüber einer bestehenden Standardtherapie vorzunehmen.

Auch die vorgesehene überfällige Anpassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie an die gesetzlichen Vorgaben einer stärkeren Regionalisierung unter Berücksichtigung sektorenübergreifender Versorgungsangebote und die Umstellung der Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen (DMP) auf DMP-Richtlinien wird die Kapazitäten des G-BA stark fordern. Vergleichbar aufwändig wird der mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes an den G-BA ergehende Auftrag, eine Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen zu beschließen.

Der G-BA sieht in dieser Erweiterung seiner Richtlinienkompetenzen - unabhängig von der zum selben Zeitpunkt aufgeworfenen Diskussion um seine Struktur - primär eine Anerkennung seiner bisherigen Arbeit durch die Politik und wird diese erweiterte Aufgabenstellung, wenn sie in das Gesetz aufgenommen wurde, entsprechend positiv aufgreifen.

Die am 19. Mai 2011 durch den G-BA gefassten Richtlinienbeschlüsse treten in ihrer aktuellen Bedeutung hinter die Diskussion um die anstehenden Reformen zurück. Von hoher Relevanz für die medizinische Versorgung der Versicherten sind jedoch der zunächst übergangsweise gefasste Beschluss zum Inkrafttreten der Heilmittelrichtlinien zum 1. Juli 2011 und der Beschluss zur verpflichtenden Aufnahme von insgesamt 182 Qualitätsindikatoren in die Qualitätsberichte der Krankenhäuser.

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