Newsletter Nr. 04 – April 2012
Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse der Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 19. April 2012. Eine Kommentierung der Beschlüsse durch den unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, finden Sie am Ende dieses Newsletters.
- Beschlüsse der Sitzung vom 19. April 2012
- Im April 2012 in Kraft getretene Beschlüsse
- Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
- Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung jetzt in Englisch abrufbar
- G-BA-Stellungnahme zum Psych-Entgeltgesetz
- Sitzungstermine 2012
- Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden
Beschlüsse der Sitzung vom 19. April 2012
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage XII: Mikrobielle Collagenase aus Clostridium histolyticum
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage XII: Eribulin
Änderung eines Sitzungstermins in 2012
Im April 2012 in Kraft getretene Beschlüsse
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage XII: Mikrobielle Collagenase aus Clostridium histolyticum
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage XII: Eribulin
Änderung eines Sitzungstermins in 2012
Hilfsmittel-Richtlinie: Neufassung / Anpassung Hörhilfen vom 21. Dezember 2011/ 15. März 2012
Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage I (Nummer 30 L-Methionin)
Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie beim Ösophaguskarzinom)
Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung jetzt in Englisch abrufbar
Seit April 2012 übersetzt der G-BA auf seiner englischen Homepage seine Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V in die englische Sprache.
http://www.english.g-ba.de/benefitassessment/resolutions/
G-BA-Stellungnahme zum Psych-Entgeltgesetz
vom 23. April 2012
Sitzungstermine 2012
24. Mai 2012
07. Juni 2012
21. Juni 2012
05. Juli 2012
19. Juli 2012
02. August 2012 (optional)
16. August 2012
06. September 2012 (optional)
20. September 2012
04. Oktober 2012 (optional)
18. Oktober 2012
01. November 2012 (optional)
22. November 2012
06. Dezember 2012 (optional)
20. Dezember 2012
Das Plenum des G-BA tagt an jedem dritten Donnerstag im Monat. Aufgrund der gesetzlichen Fristen bei der frühen Nutzenbewertung neu zugelassener Arzneimittel nach § 35a SGB V sind weitere optionale Zusatztermine jeweils für den ersten Donnerstag des Monats eingeplant. Diese Termine finden jedoch nur dann statt, wenn dies zur Einhaltung der Fristen bei laufenden Verfahren erforderlich ist. Sie haben eine ausschließlich auf Arzneimittel-Themen begrenzte Tagesordnung. Sobald feststeht, ob ein optionaler Sitzungstermin tatsächlich stattfindet, wird der Vermerk „optional“ entfernt.
Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden
In seiner Sitzung am 19. April 2012 traf das Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erneut zwei Entscheidungen zur frühen Nutzenbewertung neu in den Markt eingeführter Arzneimittelwirkstoffe. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der in den letzten fünf Monaten vom G-BA getroffenen Nutzenbewertungsentscheidungen auf 16 Beschlüsse. Die hierzu erfolgten Nutzenbewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die dazu abgegebenen Stellungnahmen der betreffenden pharmazeutischen Unternehmen sowie die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren stenographierten persönlichen Anhörungen waren Gegenstand eines gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) durchgeführten Expertengesprächs mit Vertretern der Industrie am 22. März 2012. Das dazu von der Geschäftsstelle des G-BA erstellte Protokoll ist jetzt im Internet unter
verfügbar. Jeder möge sich anhand dessen ein eigenes Bild über den bisherigen Verfahrensablauf der frühen Nutzenbewertung nach dem AMNOG machen. Ich möchte aus meiner Sicht folgende Bemerkungen zum bisherigen Verfahrensstand hinzufügen:
- Kein anderer Mitgliedstaat der EU hat in der Zeitspanne von etwas mehr als einem Jahr mit einer vergleichbaren Intensität ein solches Verfahren der frühen Nutzenbewertung mit einer sofortigen durch Gesetz, Rechtsverordnung und Verfahrensordnung geprägten Rechtsverbindlichkeit eingeführt. Für alle Beteiligten war dies mit Anlaufschwierigkeiten verbunden. Die Industrie konnte nur dieselben Studien in das von pharmazeutischen Unternehmen vorzulegende Dossier einbringen, die sie bereits für die arzneimittelrechtliche Zulassung vorgelegt hatte. G-BA und IQWiG mussten in kürzester Zeit ein neues Frühbewertungsverfahren mit den dazu vorgesehenen Beratungen etablieren. Es bedurfte dabei methodisch eines zumindest partiellen Umdenkens auf Wahrscheinlichkeitsbewertungen anhand definierter Anhaltspunkte statt der bisherigen strengen Ausrichtung der Bewertungen auf evidenzbasierte Nutzenbelege. Und der GKV-Spitzenverband musste für die der Nutzenbewertung folgenden Verhandlungen zum Erstattungsbetrag zunächst das nötige Know-how zusätzlich aufbauen.
- Es ist daher aus meiner Sicht nach wie vor richtig, die Einführungsphase dieser neuen Frühbewertung auch in rechtlicher Hinsicht als „lernendes System“ anzusehen und allen Beteiligten Spielräume für Korrekturen zu eröffnen, die nicht sofort als Präjudiz für alle künftigen Entscheidungen gewertet werden dürfen. Für derartige Spielräume gibt es aber für den G-BA Grenzen, die sich in jedem Fall aus den eindeutigen normativen Vorgaben des Gesetzes und der Rechtsverordnung (AM-NutzenV) ergeben.
- Die zentrale Auseinandersetzung um die „richtige“ Anwendung der gesetzlichen Vorgaben dreht sich nach wie vor um die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie als Komparator zur Bewertung eines Zusatznutzens und um dessen Ausmaß. Insoweit besteht eine deutliche Abneigung pharmazeutischer Unternehmen dagegen, eine vom G-BA im Beratungsgespräch definierte zweckmäßige Vergleichstherapie in Form eines Generikums zu akzeptieren. Diese Abneigung geht so weit, dass einige pharmazeutische Unternehmen ihr Präparat trotz Eintragung in die Lauer-Taxe zunächst nicht in den Verkehr bringen. Sie befürchten, dass dann trotz eines belegten Zusatznutzens gegenüber dieser niedrigpreisigen Vergleichstherapie der mit dem GKV-Spitzenverband verhandelbare Erstattungsbetrag weit unterhalb eines für sie akzeptablen Preisniveaus liegt. Die Unternehmen befürchten negative Auswirkungen auf den Weltmarktpreis, da Deutschland für viele andere Staaten Referenzpreisland ist.
- Beharrt das pharmazeutische Unternehmen in seinem Dossier aber auf einer davon abweichend selbst gewählten und in der Regel höherpreisigen Vergleichstherapie, geht es das Risiko ein, dass das IQWiG und ihm folgend auch der G-BA einen Zusatznutzen wegen des falschen Komparators als nicht belegt feststellen. Das pharmazeutische Unternehmen kann angesichts der gesetzlich ausschließlich es selbst treffenden Beweislast nicht davon ausgehen, dass das IQWiG und der G-BA in einem solchen Fall von sich aus zu der nach den Vorgaben der Verfahrensordnung ermittelten zweckmäßigen Vergleichstherapie eine eigene Aufbereitung der eingereichten Studien durchführen; zumal die hierfür notwendigen Auswertungen meist fehlen und die kurze Verfahrensdauer dies nicht zulässt.
- In mehreren Entscheidungen hat der G-BA deswegen den pharmazeutischen Unternehmen als Teil des lernenden Systems in analoger Anwendung des § 35a Abs. 5 Satz 1 SGB V gestattet, auch ohne Vorbringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein Jahr nach der vom G-BA getroffenen Entscheidung ein überarbeitetes Dossier einzureichen. Darüber hinaus wird die von der Geschäftsstelle des G-BA im Beratungsgespräch nach Rückkoppelung mit dem Unterausschuss Arzneimittel vermittelte zweckmäßige Vergleichstherapie jetzt mit einer ausführlichen schriftlichen Begründung versehen. Sie soll pharmazeutische Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Auffassung zur Vergleichstherapie kritisch zu überprüfen, sich im vorzulegenden Dossier damit auch auseinanderzusetzen und gegebenenfalls zumindest hilfsweise im relevanten Modul 4 auch auf die von IQWiG und G-BA ermittelte zweckmäßige Vergleichstherapie Bezug zu nehmen. Es ist zu hoffen, dass mit der im AMNOG ausdrücklich ermöglichten Frühberatung vor Beginn von Zulassungsstudien der Phase III die belastenden Auseinandersetzungen der Startphase des neuen Bewertungsverfahrens beendet werden können.
- Erstmals in der Anwendung des AMNOG haben sich in einer Entscheidung des G-BA vom 19. April 2012 aufgrund einer Wahrscheinlichkeitsbewertung zu einem neuen Wirkstoff nicht nur Anhaltspunkte für einen geringen Zusatznutzen, sondern gleichzeitig für ein zweites Anwendungsgebiet wegen vermuteter schwerwiegender Nebenwirkungen auch Anhaltspunkte für einen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie geringeren Nutzen ergeben. Die Entscheidung wurde wegen einer vom Hersteller angekündigten laufenden ergänzenden Studie auf zwei Jahre befristet, um ihm im Interesse des Patientenschutzes die Möglichkeit zu geben, die bisherigen undifferenzierten Aussagen zum Ausmaß solcher schwerwiegender Nebenwirkungen zu konkretisieren. Der G-BA hat sich ausdrücklich vorbehalten, ein Verfahren nach § 92 Abs. 2a SGB V zur Einschränkung der Verordnungsfähigkeit wegen Unzweckmäßigkeit des betreffenden Arzneimittels einzuleiten.