Newsletter Nr. 07 – August 2009
In diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse der August-Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Einen Kommentar zur Entscheidung im Vergabeverfahren Qualitätsinstitut von Dr. Rainer Hess, dem unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, finden Sie am Ende des Newsletters.
- Sitzung vom 20. August 2009
- In Kraft getretene Beschlüsse
- Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
- Sitzungs-Termine für das 3. Und 4. Quartal 2009
- Kommentar des Vorsitzenden
Sitzung vom 20. August 2009
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage V (Ergänzungen)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IV (Einleitung eines SN-Verfahrens: Therapiehinweise zu Prasugrel)
Beauftragung IQWiG (Nutzenbewertung von Prasugrel bei akutem Koronarsyndrom)
Beschluss zur Veröffentlichung des BQS-Qualitätsreports 2008
Mindestmengenvereinbarung/ Anlage 1 (Versorgung von Früh- und Neugeborenen)
Vereinbarung über Maßnahmen zur QS der Versorgung von Früh- und Neugeborenen (Mindestmenge)
In Kraft getretene Beschlüsse
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IX (Antipsychotika, andere, Gruppe 1, in Stufe 2)
Arzneimittel-Richtlinie/Anlage IX (Paracetamol, Gruppe 1, in Stufe 1)
Kinder-Richtlinien (Ermächtigung des Unterausschusses zur Änderung von Anlagen)
Mutterschafts-Richtlinien/ Anlage 3 (Änderung Mutterpass)
Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser/ Anlage1 (Änderung des Anhangs 1)
Richtlinie nach § 116b SGB V/ Anlage 3 (Anfallsleiden)
Vereinbarung über Maßnahmen zur QS der Versorgung von Früh- und Neugeborenen (Checkliste)
Vereinbarung über Maßnahmen der QS in Krankenhäusern (Leistungsbereiche 2010)
Das Inkrafttreten erfolgt am 1. Januar 2010
Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
Bedarfsplanungs-Richtlinie (Zulassungsfähige Arztgruppen)
Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (Neufassung)
Krebsfrüherkennungs-Richtlinien (Datenfluss Mammographie-Screening)
Richtlinien Methoden Krankenhausbehandlung (Protonentherapie bei der Indikation Ästhesioneuroblastom)
Richtlinien über künstliche Befruchtung (Vorgaben der TPG-Gewebeverordnung)
Sitzungs-Termine für das 3. Und 4. Quartal 2009
17. September 2009
15. Oktober 2009
12. November 2009
17. Dezember 2009
In der Regel tagt der G-BA am dritten Donnerstag eines jeden Monats.
Kommentar des Vorsitzenden
Vergabeverfahren als Grundlage einer Auftragserteilung durch öffentlich-rechtliche Institutionen dienen dazu, ein objektivierbares Auswahlverfahren unter den Bewerbern nach vorher festgelegten und daher in ihrer Einhaltung nachprüfbaren Bewertungsgrundlagen zu garantieren. Der G-BA hat für die in § 137a SGB V gesetzlich vorgeschriebene Vergabe eines Auftrages an eine unabhängige Institution zur Neuausrichtung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung ein solches Verfahren europaweit durchgeführt und das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) als Institution beauftragt.
In einem solchen Verfahren nicht berücksichtigte Bewerber können eine Überprüfung der Auswahlentscheidung durch die Vergabekammer beim Bundeskartellamt beantragen und gegen die gerichtsähnliche Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) einlegen. Beide Verfahren hatte die BQS als nicht berücksichtigter Bewerber eingeleitet. Sowohl das Bundeskartellamt als auch das LSG NRW haben die von der BQS in Frage gestellte fachliche und organisatorische Unabhängigkeit von AQUA als auch die Ordnungsmäßigkeit des durchgeführten Vergabeverfahrens und der getroffenen Entscheidungsfindung bestätigt. Damit sollte in einem Rechtsstaat zumindest für Institutionen mit öffentlich-rechtlichem Träger- oder Beteiligungsstatus am G-BA kein Zweifel an der Korrektheit des Verfahrens und der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung mehr aufkommen können.
Der persönliche Kommentar der stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer (BÄK) zu diesem Vergabeverfahren im Deutschen Ärzteblatt belegt jedoch, dass offensichtlich nicht wahr sein darf, was nicht in das eigene Konzept passt. Dieser Kommentar ist bezeichnend für eine sich im Deutschen Gesundheitswesen leider verbreitende Gesprächs- und Streitkultur. Eine Entscheidung, die in Interessen einer beteiligten Organisation eingreift, mag noch so objektiv und richtig sein; wenn sie den eigenen Interessen widerspricht, wird sie nicht akzeptiert und mangels sachlicher Gegenargumente mit unsachlichen bis hin zur gezielten Diskreditierung reichenden Argumenten bekämpft. In einem Rundumschlag gegen die gemeinsame Selbstverwaltung im G-BA auf Bundesebene als „planwirtschaftliche Regulierungsbehörde“ wird die Auswahlentscheidung des G-BA als Teil einer politischen Kampagne gegen die bewährte Institution BQS gebrandmarkt und gleichzeitig werden AQUA als beauftragtem Institut fragwürdige Beziehungen zu einer privaten Stiftung unterstellt.
Was war geschehen, das einen solchen Rundumschlag hätte rechtfertigen können? Der G-BA hatte es gewagt, in einem gesetzlich ihm vorgegebenen europaweit durchgeführten Ausschreibungsverfahren nicht die für den Teilbereich der stationären Qualitätssicherung unter Beteiligung der BÄK errichtete BQS zu beauftragen, sondern die methodisch und in ihrer Durchführung grundsätzlich neu auszurichtende sektorenübergreifende Qualitätssicherung an das Institut AQUA zu vergeben. Wenn es, wie der Kommentar versucht hat zu vermitteln, nur darum gegangen wäre, die bisher von der BQS erfolgreich durchgeführte Qualitätssicherung unter veränderten Modalitäten fortzuführen, dann hätte es der gesetzlichen Regelung zur Vergabe eines neuen Auftrages für eine grundsätzlich neu zu strukturierende sektorenübergreifende Qualitätssicherung nicht bedurft! Allen Bewerbern um diesen Auftrag war aufgrund der gesetzlichen Neuregelung und der sie umsetzenden Ausschreibung deswegen auch bewusst, dass es nicht um eine modifiziert fortzusetzende, sondern um eine methodisch neu auszurichtende einrichtungs- und sektorenübergreifende Qualitätssicherung geht.
Der unter meinem Vorsitz tagende, vom G-BA eingesetzte Vergabeausschuss hat sich auf dieser Grundlage für die Beauftragung von AQUA entschieden, weil AQUA für diese Neuausrichtung gegenüber der BQS eindeutig das bessere Konzept angeboten hat. Wenn dies ernsthaft bezweifelt wird, sollten mit Zustimmung beider Bewerber, die abgegebenen Ausarbeitungen zu dem den beiden als Auftrag erteilten Fallbeispiel der Harninkontinenz eingesehen werden können. Für mich steht jedenfalls außer Zweifel, dass die Auswahlentscheidung unter objektiven und fairen Bedingungen erfolgt ist und insbesondere politische Mächte, wie sie die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der BÄK vermutet, keinen Einfluss hierauf nehmen konnten und dies auch nicht getan haben.
In Wahrheit fürchtet sie offensichtlich um einen Verlust an Einflussnahme der Bundesärztekammer auf die Qualitätssicherung und startet deswegen den frontalen Angriff auf die gemeinsame Selbstverwaltung auf Bundesebene. Und das, obwohl die BÄK gerade in Fragen der Qualitätssicherung - wenn auch ohne Stimmrecht - an eben dieser beteiligt ist; sie kann aber deren Organisationsstruktur nicht wie bei der BQS maßgeblich bestimmen. Statt die der BÄK unabhängig von der Auswahl des Instituts gesetzlich zustehenden Beteiligungsrechte einzufordern, stellt sie deswegen die Ablösung dieser gemeinsamen Selbstverwaltung durch „populationsbezogene integrierte Versorgungsverträge unter Beteiligung aller Leistungserbringer und Krankenkassen in der Region“ als Keimzelle einer neuen gemeinsamen Selbstverwaltungsidee in Aussicht. Hier spätestens zeigt sich, dass ihr Kommentar die Systematik der gemeinsamen Selbstverwaltung in der GKV grundsätzlich missversteht. Gerade bei einer derartigen basisdemokratisch und wettbewerblich ausgerichteten Regionalstruktur bedürfte es auf Bundesebene der normativen Vorgabe eines einheitlich verbindlichen Leistungskataloges mit Mindestanforderungen an die Qualität der Leistungserbringung, um den bundesgesetzlich jedem Versicherten zustehenden Leistungsanspruch auf eine medizinisch notwendige Versorgung noch gewährleisten zu können. Ist es dann nicht besser, wenn ein von der Politik unabhängiger Ausschuss der gemeinsamen Selbstverwaltung diese Aufgabe wahrnimmt und gerade nicht eine dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zugeordnete Planungsbehörde? Die BÄK muss selbst wissen, ob sie die Äußerungen ihrer stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin zur gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene und den Versuch einer gezielten Diskreditierung von AQUA so stehen lassen will.
Dass die gemeinsame Selbstverwaltung im G-BA nicht als planwirtschaftliche Regulierungsbehörde handelt, sondern die in ihr strukturbedingt notwendig bestehenden Interessenkonflikte auch in öffentlicher Sitzung offen ausgetragen und zu einer Selbstverwaltungsentscheidung geführt werden, zeigt die in der Sitzung des G-BA am 20. August 2009 nach vierstündiger kontroverser Verhandlung getroffene Entscheidung zur Einführung von Mindestzahlen als Anforderung an die stationäre Behandlung von Frühgeborenen in darauf spezialisierten Krankenhausabteilungen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die getroffene Entscheidung scharf kritisiert, weil sie im Einklang mit den Anträgen der GKV-Spitzenverbandes und der Patientenvertretungsorganisationen wesentliche höhere schon 2010 greifende Mindestzahlen fordert. Diese Forderungen sind aufgrund retrospektiver Auswertungen von Ergebnisdaten entsprechender Einrichtungen nachvollziehbar. Sie stoßen aber auf die ebenfalls mit Daten und Argumenten unterlegte Auffassung der Leistungserbringerbank und der zu beteiligenden Organisationen (BÄK, Pflegebeirat, PKV), wonach jedenfalls für 2010 eine derartige, ohne evidenzbasierte oder zumindest flankierende Begleitung eingeführte Mindestzahl zu unvertretbaren Ergebnissen führen würde. In diesem sensiblen Bereich durfte jedenfalls aus Sicht der Unparteiischen nicht der Eindruck entstehen, dass wegen fehlender Vertagungsmöglichkeit einer für 2010 in der jetzigen August-Sitzung notwendigen Entscheidung zu Mindestzahlanforderungen, die Notwendigkeit flankierender Maßnahmen sowohl in der Mutterschafts-Richtlinie als auch in der Qualitätssicherung vernachlässigt wird. Auf einer derart kontroversen Grundlage nach intensiven Konsensbemühungen getroffene Mehrheitsentscheidungen sind entgegen der Kommentierung im Deutschen Ärzteblatt kein Zeichen eines Versagens der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene sondern geradezu im Gegenteil Ausdruck ihres Funktionierens.