Richtlinien-Psychotherapie bei Abhängigkeitserkrankungen: G-BA lockert Vorgaben
Berlin, 21. August 2025 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Regelungen zur Suchtmittelfreiheit als Voraussetzung für eine ambulante Psychotherapie angepasst: Bei einer durch psychotrope Substanzen wie Alkohol oder Medikamente (z. B. Benzodiazepin) verursachten Abhängigkeitserkrankung kann eine Psychotherapie künftig bis zu 12 Behandlungsstunden umfassen, um eine Suchtmittelfreiheit bzw. Abstinenz zu erreichen. Bisher waren maximal 10 Behandlungsstunden möglich. Neu hinzukommt: Weitere 12 Behandlungsstunden sind möglich, wenn die Suchtmittelfreiheit bis zu diesem Zeitpunkt zwar nicht erreicht, dieses Therapieziel aber weiter realistisch ist und konkrete therapeutische Schritte zum Erreichen dieses Ziels vereinbart wurden. Den entsprechenden Beschluss zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie hat der G-BA in seiner heutigen Plenumssitzung gefasst. Die Anpassungen bauen auf aktuellen Empfehlungen aus medizinischen S3-Leitlinien auf.
Vor dem Hintergrund der Legalisierung von Cannabis wird künftig außerdem in der Richtlinie beim Anwendungsbereich „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ auf die in Klammern hinzugefügte Erläuterung „Alkohol, Medikamente und Drogen“ verzichtet, weil dies Fragen hinsichtlich der Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen aufgeworfen hatte. Der G-BA stellt klar, dass von dem Anwendungsbereich alle psychotropen Substanzen außer Tabak, Nikotin und Koffein umfasst sind.
Dr. med. Bernhard van Treeck, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Psychotherapie und psychiatrische Versorgung: „Nicht für jedes Stadium einer Abhängigkeitserkrankung ist die Richtlinien-Psychotherapie geeignet. Fortgesetzter Suchtmittelkonsum kann den Erfolg einer Psychotherapie erschweren oder ganz verhindern. Für Menschen mit einer Suchterkrankung gibt es daher in Deutschland eine Vielzahl von unterschiedlichen bedarfsgerechten Hilfsangeboten, Behandlungen und Leistungen. Bei schwerer Abhängigkeit ist oft eine vorhergehende stationäre Entzugsbehandlung unumgänglich und danach eine ambulante, ganztägig ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlung, in der Suchttherapeutinnen und -therapeuten psychotherapeutische Hilfe anbieten. Neben Selbsthilfegruppen ist die ambulante Richtlinien-Psychotherapie ein weiterer möglicher Baustein der Behandlung. Sie kann Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung unterstützen, dauerhaft vom Suchtmittel loszukommen. Der heutige Beschluss ermöglicht den behandelnden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, flexibler auf den individuellen Bedarf dieser Betroffenen einzugehen. Wenn mit Hilfe der Kurzzeittherapie keine Suchtmittelfreiheit erreicht werden konnte, muss die Patientin oder der Patient zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten wie Entzugs- oder Entwöhnungsbehandlung auch darüber informiert werden, dass es möglicherweise sinnvoll sein kann, nach Erreichen der Abstinenz die ambulante Psychotherapie wieder aufzunehmen.“
Der Beschluss zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie wird zunächst dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung durch das BMG und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Hintergrund: Ambulante Psychotherapie
Gesetzlich Versicherte haben bei einer psychischen Erkrankung Anspruch auf eine psychotherapeutische Behandlung. Welche psychotherapeutischen Verfahren und Methoden zum ambulanten Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen sie in Anspruch genommen werden können, legt der G-BA in der Psychotherapie-Richtlinie fest.
Nähere Informationen auf der Website des G-BA: Ambulante Psychotherapie