Pressemitteilung | Qualitätssicherung

Neue Mindestmengen gelten bei Eingriffen an der Speiseröhre und bei der Versorgung von untergewichtigen Frühgeborenen – Vorgabe bei Nierentransplantation bestätigt

Berlin, 17. Dezember 2020 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Mindestmengenregelungen für komplexe Eingriffe an der Speiseröhre (Ösophagus), für die Versorgung von Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm sowie für Nierentransplantationen überarbeitet. Ausgehend von aktuellen Auswertungen erhöhte der G-BA für Eingriffe am Ösophagus die geforderte Mindestmenge an Operationen von derzeit 10 auf 26 pro Jahr und Krankenhausstandort. Ebenso setzte er die Vorgaben für Zentren hoch, die sehr untergewichtige Neugeborene betreuen. Künftig müssen sie mindestens 25 Kinder pro Jahr und Standort versorgen und nicht mehr nur 14. Bei Nierentransplantationen (inkl. Lebendspende) bestätigte der G-BA die bisherige Vorgabe von mindestens 25 Eingriffen pro Jahr und Krankenhausstandort. Der G-BA berücksichtigt bei seinen Mindestmengenregelungen den wissenschaftlich nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Qualität des Eingriffs. Um Patienten sicherer und risikoärmer zu behandeln, sollen besonders schwierige planbare Eingriffe nur in jenen Kliniken vorgenommen werden, die damit ausreichend Erfahrung haben.

Zudem aktualisierte der G-BA den Katalog der Prozeduren und Leistungen, die berücksichtigt werden können, um die jeweils festgelegte Mindestmenge zu erfüllen.

Die beschlossenen Veränderungen werden schrittweise in den nächsten Kalenderjahren umgesetzt. Wissenschaftliche Basis der heute gefassten Beschlüsse bilden die vom G-BA in Auftrag gegebenen Auswertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität des Behandlungsergebnisses bei komplexen Eingriffen am Organsystem Ösophagus (Speiseröhre) und bei Nierentransplantation jeweils vom April 2020.

Mindestmenge bei Eingriffen an der Speiseröhre

Durch die anatomische Lage der Speiseröhre – ausgehend vom Rachenraum über Hals, Brustkorb, Zwerchfell bis in den Magen – verlangen Eingriffe daran oft nach einem interdisziplinären Vorgehen. Daher knüpft der G-BA die Mindestmenge hier bewusst an den Klinikstandort und nicht an einzelne Ärztinnen oder Ärzte. Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) hat im Auftrag des G-BA berechnet, dass sich die neue Standortverteilung auf die Wegstrecken für die Patientinnen und Patienten auswirken wird. Für die Versorgung birgt eine längere Wegstrecke nach der wissenschaftlichen Analyse keine Risiken, da es sich ausschließlich um planbare Operationen handelt, nicht um Notfälle. Vielmehr überwiegt bei der Konzentration der Eingriffe auf weniger Standorte der insgesamt zu erwartende Qualitätsgewinn: weniger Komplikationen und Todesfälle.

Der G-BA hat folgende Übergangsregelung beschlossen: Für die Kalenderjahre 2021 und 2022 gilt weiterhin eine Mindestmenge von 10 Eingriffen pro Jahr/Standort. Außerdem können im Kalenderjahr 2021 zur Erfüllung der Mindestmengen die bisherigen OPS-Kodes einbezogen werden. Ab dem Kalenderjahr 2023 gilt dann eine jährliche Mindestmenge von 26 Eingriffen pro Krankenhausstandort. Es können dann auch nur noch die in den Mindestmengenregelungen aufgeführten Eingriffe, definiert nach OPS-Kodes, angerechnet werden.

Mindestmenge Nierentransplantation (inkl. Lebendspende)

Nierentransplantationen (inkl. Lebendspenden) sind hochkomplexe und spezialisierte Eingriffe, die einen Bezug zwischen Krankenhausstandort und Mindestmenge notwendig machen. Insgesamt bleiben Transplantationszentren für Patientinnen und Patienten trotzdem gut erreichbar, wie die wissenschaftlichen Analysen des IQTIG zeigen. Der längere Weg wird aus Sicht der Patienten durch einen Zugewinn bei der Behandlungsqualität ausgeglichen. Für Nierentransplantationen gilt übergangsweise ebenfalls, dass bestimmte OPS-Kodes im Rahmen der Prognosedarlegung für das Kalenderjahr 2022 weiterhin angerechnet werden können.

Mindestmenge für die Betreuung von untergewichtigen Neugeborenen

Die Versorgung von Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm stellt Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Die Kinder und ihre Eltern brauchen eine intensive Betreuung durch interdisziplinäre und multiprofessionelle Teams. Mit der erhöhten Mindestvorgabe – von 14 auf 25 Fälle pro Jahr/Standort – trägt der G-BA diesem Umstand Rechnung. Ab 2024 dürfen nur noch jene Spezialkliniken (Perinatalzentren Level-1) diese untergewichtigen Neugeborenen versorgen, die die erhöhten Mindestvorgaben erfüllen. In der Übergangszeit bis dahin gilt die bisherige Mindestmenge. Durch die neue Mindestmenge wird die Anzahl der Zentren vermutlich leicht sinken. Die neue Standortverteilung und die veränderten Fahrtzeiten führen zu keinen zusätzlichen Risiken für Schwangere und Kinder. Aus den analysierten Studien wird zugleich sichtbar, dass der Gewinn an Versorgungsqualität diesen Umstand mehr als aufwiegt.

Corona-Pandemie: Ausnahmeregelung

Konnten Krankenhäuser wegen der Corona-Pandemie nachweislich bestimmte planbare Eingriffe nicht vornehmen, können sie dies bei der Prüfung, ob für das Folgejahr die Mindestmenge erreicht werden kann, geltend machen: Um betroffenen Krankenhäusern Planungs- und Rechtssicherheit zu gewähren, bewertet der G-BA die Corona-Pandemie als „weiteren Umstand“ gemäß § 4 Absatz 2 Satz 3 und 4 der Mindestmengenregelungen, der im Rahmen einer Prognose der berechtigt zu erwartenden Eingriffe berücksichtigt wird.

Die Änderungen der Mindestmengenregelungen treten nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger mit Wirkung vom 1. Januar 2021 in Kraft.

Hintergrund: Mindestmengen für planbare stationäre Leistungen

Der G-BA ist gesetzlich beauftragt, planbare stationäre Leistungen zu benennen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Behandlungen und der Qualität der Versorgung besteht. Für diese Leistungen legt er auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse Mindestmengen je Ärztin und Arzt und/oder Standort eines Krankenhauses fest.

Zu folgenden Leistungen hat der G-BA bereits Mindestmengen festgelegt:

  • Lebertransplantation (inkl. Teilleber-Lebendspende)
  • Nierentransplantation (inkl. Lebendspende)
  • komplexe Eingriffe am Organsystem Ösophagus (Speiseröhre)
  • komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas (Bauchspeicheldrüse)
  • Stammzelltransplantation
  • Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP)
  • Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm

Die Mindestmengenregelungen geben vor, dass ein Krankenhaus solche Leistungen, für die Mindestmengen festgelegt sind, im jeweils nächsten Kalenderjahr nur dann erbringen darf, wenn die bisher mit den Krankenkassen abgerechnete Anzahl der Fälle das Erreichen der geforderten Menge wahrscheinlich werden lassen. Der Krankenhausträger hat diese Prognose gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen jährlich darzulegen.

Eine Ausnahme von dieser Vorgabe ist nur möglich, wenn ein Krankenhaus eine Leistung erstmalig oder erneut erbringen möchte oder wenn der G-BA für die Leistung den Ausnahmetatbestand „hohe Qualität“ vorgesehen hat. Darüber hinaus können in den Mindestmengenregelungen leistungsspezifische Ausnahmetatbestände festgelegt werden. Für den Fall, dass für eine Leistung eine Mindestmenge neu festgelegt, erhöht
oder ein Arztbezug für die Bemessung eingeführt wird, gilt eine Übergangsfrist von gewöhnlich 12, jedoch maximal 24 Monaten. In dieser Zeit müssen Krankenhäuser die Mindestmenge nicht vollständig erfüllen und können die Leistungen dennoch erbringen sowie abrechnen.


Beschlüsse zu dieser Pressemitteilung