Pressemitteilung | Arzneimittel

Hohe Anzahl von Erst- und Zweitbewertungen von neuen Arzneimitteln

Berlin, 20. Mai 2021 – Insgesamt 15 Beschlüsse zum Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute getroffen. „Für mich zeigen sich hier exemplarisch drei Dinge“, so Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel: „Aussagekräftige Studien sind auch bei Orphan Drugs, also Medikamenten gegen seltene Leiden, möglich. Sogar Medikamente zur Behandlung chronischer Erkrankungen können zu beachtlichen Urteilen führen. Die erneute Bewertung zu einem späteren Zeitpunkt nach der Zulassung ist ein gutes Instrument, weitere Daten und ein differenzierteres Ergebnis zum Zusatznutzen zu erhalten. Genau das macht die Arzneimittelversorgung für Patientinnen und Patienten besser und sicherer.“

Hohe Studienqualität ist auch bei kleinen Patientengruppen möglich

Bei 12 der 15 Beschlüsse, die der G-BA heute getroffen hat, handelt es sich um die Bewertung von Orphan Drugs. Um die Forschung zur Arzneimittelentwicklung für seltene Erkrankungen zu fördern, gilt für Orphan Drugs bei der Bewertung des Zusatznutzens ein vereinfachtes Verfahren und der Zusatznutzen wird als gegeben angenommen. Lediglich das Ausmaß des Zusatznutzens und dessen Wahrscheinlichkeit muss bestimmt werden. „Wir sehen bei vielen Orphan Drugs mittlerweile gute Studienqualität. Dies ist ein wichtiges Signal. Es nimmt Kritikern den Wind aus den Segeln, denn es zeigt: Hervorragende Studien sind selbst bei kleinen Patientengruppen möglich. Auch für sie gilt der Anspruch, Nutzen und Risiken der Arzneimitteltherapie anhand von Daten einschätzen zu können“, so Prof. Hecken.

Trend zu neuen Einsatzoptionen bei vorhandenen Arzneimitteln

Oft kommt es vor, dass pharmazeutische Hersteller das therapeutische Anwendungsgebiet bei relativ neuen und bereits bewerteten Arzneimitteln erweitern. Das AMNOG-Verfahren sieht auch dann eine Bewertung für diesen neuen Einsatz vor, um Nutzen und Schaden für die Patientenversorgung aufzuzeigen. Bei 10 der 15 aktuellen Beschlüsse ist das der Fall. Allein sechs der Bewertungen betreffen die Wirkstoffe Ivacaftor und Tezacaftor/Ivacaftor, die zur Behandlung von Mukoviszidose – entweder allein oder in Kombination – nun auch für Kinder und Babys zugelassen sind. Mit der seltenen Stoffwechselkrankheit, die auf verschiedene Genmutationen zurückgeht, werden pro Jahr je nach Mutation zwischen 1 bis 200 Kinder in Deutschland geboren.

Auch Arzneimittel gegen Volkskrankheiten gut bewertbar

Beim Wirkstoff Dapagliflozin, ursprünglich zugelassen zur Behandlung von Diabetes Typ 2, hat der G-BA nun den Zusatznutzen bei chronischer Herzinsuffizienz bewertet. Prof. Hecken: „Die chronische Herzinsuffizienz gehört seit vielen Jahren mit zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Etwas über 2 Mio. Menschen sind wegen chronischer Herzinsuffizienz in Behandlung. Hier konnten wir einen beträchtlichen Zusatznutzen erkennen. Das belegt, anders als Kritiker gerne behaupten, dass die Nutzenbewertung auch bei chronischen Erkrankungen zu einem aussagekräftigen Urteil führen kann.“

Erneute Bewertungen zeigen differenzierte Ergebnisse

Eine erneute Bewertung von Arzneimitteln kann der G-BA u. a. vornehmen, wenn ein Orphan Drug die Umsatzschwelle von 50 Mio. Euro übersteigt. Das trifft beispielsweise auf Tafamidis, zugelassen bei peripheren Störungen des Nervensystems, und Nusinersen, das bei spinaler Muskelatrophie eingesetzt wird, oder Niraparib, das gegen bestimmte Krebsformen eingesetzt wird, zu. Bei den Orphan Drugs Ivacaftor und Ivacaftor/Tezacaftor und bei Niraparib kommt eine Besonderheit hinzu: Sie haben die Umsatzschwelle von 50 Mio. Euro überschritten und danach ein neues Anwendungsgebiet erhalten, was der G-BA in einem regulären Beschluss erstmals bewertet hat.

Schaut man auf die Ergebnisse der erneuten Bewertungen, ist die Bandbreite groß: Mit aktuellen Daten konnte Nusinersen das bisherige Ergebnis weitgehend bestätigen und in zwei Teilpopulationen einen erheblichen Zusatznutzen nachweisen. Auch der Wirkstoff Tafamidis bleibt mit einem Anwendungsgebiet in der Kategorie mit beträchtlichem Zusatznutzen. In anderen Anwendungsgebieten und Teilpopulationen konnte die erste Bewertung durch neue Daten hingegen nicht bestätigt werden und musste – von geringem oder nicht-quantifizierbarem Zusatznutzen zu keinem Zusatznutzen – herabgestuft werden. „Auch solche Ergebnisse sind für uns wichtig und helfen, die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Denn die behandelnden Ärztinnen und Ärzte kennen nun den Mehrwert dieser Arzneimittel besser und können ihre Behandlung neu ausrichten“, so Prof. Hecken. „Die mehrfache Bewertung von neuen Arzneimitteln ist sinnvoll. Pharmazeutischen Unternehmern eröffnet sie die Chance, eine erste Einstufung ihrer Produkte durch neue Daten überprüfen zu lassen. Außerdem gelingt es so, den Stellenwert neuer Arzneimittel insgesamt differenzierter und fundierter darzustellen.“


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