Newsletter Nr. 12 – Dezember 2010
Mit diesem Newsletter informieren wir Sie über die Ergebnisse der Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 16. Dezember 2010. Eine Kommentierung der Beschlüsse durch den unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, finden Sie am Ende des Newsletters.
- Beschlüsse der Sitzung am 16. Dezember 2010
- In Kraft getretene Beschlüsse
- Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
- Sitzungstermine
- Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden
Beschlüsse der Sitzung am 16. Dezember 2010
Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Änderung)
Vereinbarung zur Kinderonkologie/ Anlage 1 (Jährliche Anpassung an die ICD-Klassifikation)
Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien (Elektronische Dokumentation der Gesund-heitsuntersuchung)
Kinder-Richtlinien (Anpassung des Erweiterten Neugeborenen-Screenings an das Gendiagnostikgesetz)
Höhe des Systemzuschlags im ambulanten und stationären Sektor 2011
Grundsätze des Systemzuschlags im stationären Sektor 2011
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage II (Änderung und Aktualisierung)
In Kraft getretene Beschlüsse
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage VI (Valproinsäure bei der Migräneprophylaxe im Erwachsenenalter)
Richtlinie zur einrichtungs- und sektorenübergreifenden Qualitätssicherung (Erstfassung)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III Nummer 44 (Stimulantien)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage II (Ergänzung: Azzalure)
Bedarfsplanungs-Richtlinie (Einführung eines Demografiefaktors)
Noch nicht in Kraft getretene Beschlüsse
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Glinide zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2)
Schutzimpfungs-Richtlinie/ Anlage 1 (Überarbeitung der Spaltenzuordnung in Anlage 1)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III Nummer 12 (Antidiarrhoika)
Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege)
Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (Nr. 10 des Leistungsverzeichnisses "Blutdruck-messung")
Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (Nr. 31 des Leistungsverzeichnisses "Verbände")
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage III (Alkoholhaltige Arzneimittel zur oralen Anwendung)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage VI (Streichung 5-Flourouracil-haltige Arzneimittel)
Arzneimittel-Richtlinie/ Anlage IV (Therapiehinweis zu Omalizumab)
Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (Kapselendoskopie bei Blutungen des Dünndarms)
Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern (Änderung)
Sitzungstermine
20. Januar 2011
17. Februar 2011
17. März 2011
14. April 2011
19. Mai 2011
23. Juni 2011
21. Juli 2011
18. August 2011
15. September 2011
20. Oktober 2011
10. November 2011
15. Dezember 2011
In der Regel tagt der G-BA an jedem dritten Donnerstag im Monat.
Kommentar des unparteiischen Vorsitzenden
Den Lesern dieses Newsletters wünsche ich zunächst ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr. Ich versichere Ihnen, dass es für den G-BA ein spannendes Jahr werden wird und sich daher auch die weitere Lektüre unseres Newsletters für Sie lohnen wird. Und dies liegt nicht nur an dem zum 1. Januar 2011 zeitgleich mit einer Rechtsverordnung (AM-NutzenV) in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG).
Um das Regelwerk zur Frühbewertung neu in den Verkehr gebrachter Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen oder neuen Anwendungsgebieten umzusetzen, muss die Verfahrensordnung des G-BA (VerfO) zügig um zahlreiche Details ergänzt werden. Hierzu gehört vor allem die nähere Ausgestaltung der inhaltlichen Anforderungen an die von den pharmazeutischen Unternehmen beim G-BA einzureichenden Dossiers. Es ist vorgesehen, alle relevanten Regelungen für die Nutzenbewertung gemäß AMNOG in einem eigenen Kapitel der Verfahrensordnung zusammenzufassen. Damit soll die praktische Anwendbarkeit der bislang auf drei Rechtsquellen verteilten Vorgaben erleichtert werden. Das neue Kapitel der Verfahrensordnung soll auf der G-BA-Plenumssitzung am 20. Januar 2011 beschlossen werden und muss zeitnah vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) genehmigt werden, damit es am 1. Februar 2011 in Kraft treten kann.
Für bereits im Januar eingereichte Dossiers kommt zunächst die in § 10 AM-NutzenV enthaltene Übergangsregelung zur Anwendung, die für bis zum 31. Juli 2011 in den Verkehr gebrachte neue Arzneimittel eine der Nutzenbewertung vorgeschaltete bis zu drei Monaten mögliche Beratung zu den Anforderungen an das Dossier durch den G-BA vorsieht. Die zeitlich nachgeschaltete Beschlussfassung der VerfO wirkt sich daher auf das Bewertungsverfahren nicht nachteilig aus. Der Terminplan des G-BA sieht zur Bewältigung des im Rhythmus von zwei Wochen (durch Aufnahme in die Lauer-Taxe) möglichen Inverkehrbringens neuer Arzneimittel eine alle zwei Wochen stattfindende Sitzung des Unterausschusses Arzneimittel vor.
Spannend wird im Jahr 2011 für den G-BA aber auch die vorgesehene Neuordnung der vertragsärztlichen Bedarfsplanung. Ziel ist hier eine stärkere Regionalisierung und eine für die spezialisierte fachärztliche Versorgung sektorenübergreifende Ausrichtung. Im Unterausschuss Bedarfsplanung konnte über ein einheitlich vom G-BA getragenes Konzept einer solchen Neuausrichtung bisher kein Konsens erreicht werden. Dem Vorschlag, dies vor allem über eine Weiterentwicklung der Bedarfsplanungsrichtlinie zu leisten und gesetzliche Änderungen nur dort vorzusehen, wo sie absolut notwendig sind, steht die Forderung nach einer die Bedarfsplanung grundsätzlich neu gestaltenden Gesetzesregelung entgegen, die auch eine Neuausrichtung der Richtlinienkompetenz des G-BA mit einschließt. Hinzu tritt eine von Seiten der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) eingebrachte gesetzliche Neukonzeption. Sie sieht eine Neugestaltung der Bedarfsplanung vor, die insbesondere die Position der Länder in den zuständigen Selbstverwaltungsgremien stärken soll. Die vom BMG hierzu geplante Vorarbeit in einer Fachkommission dürfte daher spannend werden.
Schließlich werden im Rahmen der angekündigten Neuausrichtung der ärztlichen Versorgung die Strukturen der Selbstverwaltung und in diesem Zusammenhang auch die des G-BA als Gegenstand von Reformüberlegungen genannt. Es ist nicht sinnvoll, schon jetzt auf derartige nicht konkretisierte Vorstellungen inhaltlich einzugehen. Der G-BA wird sich einer sachgerechten Weiterentwicklung seiner Struktur selbstverständlich nicht verschließen. Solange die GKV aber vom System der gemeinsamen Selbstverwaltung durch eigenständige für ihren jeweiligen Versorgungsbereich verantwortliche Träger und Trägerverbände getragen wird, muss auch der G-BA rechtlich und organisatorisch in dieses System eingebettet bleiben, um seine „bottom up" gebildete Legitimation zu „top down" wirkenden normativen Richtlinien nicht zu verlieren.
Aus der letzten Sitzung des Plenums in 2010 seien aus dem umfangreichen Beschlusskonvolut folgende Entscheidungen kurz ergänzend kommentiert:
- Nicht medikamentöse Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms: Die Beschlüsse wurden für die vertragsärztliche Versorgung (nach § 135 Abs. 1 SGB V) und die stationäre Behandlung (nach § 137c SGB V) getrennt aber spiegelbildlich gefasst. Neben den Grundsatzentscheidungen zur methodischen Anerkennung als GKV-Leistung wurden zudem Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung für jene Behandlungsmethoden beschlossen, für die eine endgültige Entscheidung wegen fortbestehender Zweifel an der Evidenz der Methode ausgesetzt wurden. Dies war erforderlich, da für die stationäre Behandlung von der Leistungsberechtigung auszugehen ist, und auch die Aussetzung der Entscheidung daran grundsätzlich nichts ändert. Für die vertragsärztliche Versorgung sind jeweils positive Entscheidungen mit ergänzenden Auflagen an die Qualitätssicherung zu treffen. Im Gesamtvergleich sind acht von fünfzehn Behandlungsmethoden definitiv für beide Bereiche wegen fehlender Evidenz ausgeschlossen worden, während zwei für beide Bereiche (vertragsärztlich gebunden an die belegärztliche Behandlung) anerkannt und fünf ausgesetzt beziehungsweise an die Erbringung in Studien gebunden wurden, um Zweifel an der Evidenz zu klären. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass nach übereinstimmender Auffassung die operative Behandlung die Methode der ersten Wahl ist und deswegen die Zulassung nichtmedikamentöser Verfahren nur als Alternative für Patienten anzusehen ist, die einen operativen Eingriff ablehnen. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass auch in der stationären Behandlung Methoden abgelehnt werden, die Leistungserbringung unter den Bedingungen einer klinischen Studie zu Lasten der GKV jedoch möglich ist.
- Clopidogrel in Kombination mit ASS beim akuten Koronarsyndrom: Die Entscheidung des G-BA zu der Indikation, für die Clopidogrel in Kombination mit ASS arzneimittelrechtlich ausdrücklich zugelassen ist, deckt nur einen vergleichsweise schmalen Bereich der tatsächlichen Verordnungspraxis ab. Ganz überwiegend wird Clopidogrel in Kombination mit ASS bei akutem Koronarsyndrom bei Patienten mit ST-Strecken-Hebungsinfarkt eingesetzt, denen bei einer perkutanen Koronarintervention ein Stent zur Eingrenzung des Herzinfarktrisikos eingesetzt wurde. Hierzu liegen keine Klinischen Vergleichsstudien vor, die Einordnung in die bestehende Zulassung ist zweifelhaft. Deswegen erfolgte ein Hinweis zur begrenzten Geltung des Beschlusses.