Pres­se­mit­tei­lung | Arznei­mittel

Bundes­aus­schuss weist Kritik des Minis­te­riums am Beschluss zur Kran­ken­kost und Sonden­nah­rung zurück

Sieg­burg, den 4. Dezember 2003 – Noch ehe der am Montag, dem 1. Dezember, gefasste Beschluss des Bundes­aus­schusses zur Sonden­nah­rung dem Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit und Soziale Siche­rung über­haupt vorlag, hat das Minis­te­rium in einer Pres­se­mit­tei­lung den Vorwurf „schwer­wie­gender Verfah­rens­fehler“ erhoben und die Bean­stan­dung des Beschlusses ange­kün­digt.

Die erho­benen Vorwürfe sind unbe­gründet; zu der unge­wöhn­li­chen Reak­tion in Gestalt einer Pres­se­mit­tei­lung bestand kein Anlass. 

Der Bundes­aus­schuss hat die Rechte der Anhö­rungs­be­rech­tigten nicht verletzt und sich auch keiner sons­tigen Verfah­rens­ver­stöße schuldig gemacht. Die Vorbe­rei­tung und die Beschluss­fas­sung zur Ände­rung der Arzneimittel-​Richtlinien steht in Einklang mit der seit Jahren geübten Praxis, die bisher auch vom Minis­te­rium nicht bean­standet worden ist.

Ursache für die Verär­ge­rung des Minis­te­riums ist offenbar die Tatsache, dass der Ausschuss einer schrift­li­chen Auffor­de­rung von Staats­se­kretär Dr. Schröder zu einer erneuten Anhö­rung nicht gefolgt ist.

Eine aber­ma­lige Anhö­rung war aber nach Auffas­sung des zustän­digen Arbeits­aus­schusses und des Plenums des Bundes­aus­schusses aus recht­li­chen Gründen nicht erfor­der­lich und auch aus fach­li­chen Gründen nicht geboten.

Nach § 92 Abs. 3 SGB V sind bei Ände­rungen der Arzneimittel-​Richtlinien folgende Verbände anzu­hören:

  • die maßgeb­li­chen Spit­zen­or­ga­ni­sa­tionen der phar­ma­zeu­ti­schen Unter­nehmer und der Apotheker sowie
  • die maßgeb­li­chen Dach­ver­bände der Ärzte­ge­sell­schaften der beson­deren Thera­pie­rich­tungen auf Bundes­ebene.

Eine Anhö­rung zu der anste­henden Rege­lung über die nur in Ausnah­me­fällen von der Kran­ken­ver­si­che­rung zu erstat­tende Kran­ken­kost und Sonden­nah­rung hat vom 10. Januar 2001 bis 16. Februar 2001 mit großer Reso­nanz statt­ge­funden; es sind vor allem Stel­lung­nahmen von nicht-​anhörungsberechtigten Stellen einge­gangen.

Die unter Verwer­tung der Anhö­rungs­er­geb­nisse am 26. Februar 2002 beschlos­senen Richt­li­nien des Bundes­aus­schusses sind am 17. Mai 2002 vom Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium bean­standet worden.

Aufgrund der Bean­stan­dung ist die gesamte Liste der als erstat­tungs­fähig bewer­teten Produkte und der in Betracht kommenden Indi­ka­tionen durch den Arbeits­aus­schuss einer voll­stän­digen Prüfung unter­zogen worden, und zwar unter Berück­sich­ti­gung der aktuell verfüg­baren evidenz­ba­sierten Lite­ratur, einschließ­lich der neuen Leit­li­nien der Deut­schen Gesell­schaft für Ernäh­rungs­me­dizin.

Daraus entstand die am 1. Dezember 2003 beschlos­sene Richt­linie, und zwar nicht als ein neues Produkt, sondern als das Endpro­dukt der im Jahre 2001 einge­lei­teten Vorar­beiten zur Erstel­lung einer Ausnah­me­re­ge­lung zu § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V. Der Inhalt der Richt­linie ist nur unwe­sent­lich verän­dert worden.

Die Bean­stan­dung im Jahre 2002 durch das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium hat das Verfahren zur Richt­li­ni­en­er­stel­lung nicht beendet. Im Gegen­teil; das Verfahren musste auf Anord­nung des Minis­te­riums fort­ge­setzt werden, die Bewer­tung war unter Darle­gung der evidenz­ba­sierten Unter­lagen zu wieder­holen.

Mit dieser Fort­set­zung des Verfah­rens war aber eine Verpflich­tung zur erneuten Anhö­rung nicht verbunden. Das Gesetz geht von einer einma­ligen Anhö­rung aus. Eine wieder­holte Anhö­rung ist im Gesetz nicht vorge­schrieben und ist auch nicht üblich. Der Bundes­aus­schuss ist viel­mehr befugt, den der Anhö­rung zugrunde liegenden Richt­li­ni­en­ent­wurf sach­ge­recht weiter­zu­ent­wi­ckeln und auch umzu­ge­stalten. Jede Beschrän­kung dieses Rechts zur Weiter­ent­wick­lung des Anhö­rungs­ent­wurfs würde zu einer endlosen Kette neuer Anhö­rungen führen müssen, wenn der Ausschuss von dem ursprüng­li­chen Entwurf abwei­chen will. Es ist gerade der Sinn der Anhö­rung, zu dem Anhö­rungs­ent­wurf neue Erkennt­nisse zu gewinnen und diese Erkennt­nisse auch in einer Neufas­sung des Entwurfs zu verar­beiten.

Das entspricht der bishe­rigen Praxis des Bundes­aus­schusses und gilt in glei­cher Weise auch für die Anhö­rungen der Minis­te­rien oder des Deut­schen Bundes­tages.

Die jetzt vom Minis­te­rium plötz­lich in letzter Minute verlangte noch­ma­lige Anhö­rung kann nur als eine Verbeu­gung vor der von dritter Seite geäu­ßerten Kritik auch an der Neufas­sung der Richt­li­nien verstanden werden. Im übrigen war dem Minis­te­rium seit dem 3. September bekannt, dass eine zweite Anhö­rung nicht durch­ge­führt wird.

Der Bundes­aus­schuss sieht der anste­henden recht­li­chen Über­prü­fung und auch der ange­kün­digten Bean­stan­dung der Richt­li­nien sehr gelassen entgegen. Sollte es zu einer Bean­stan­dung kommen, kann der Bundes­aus­schuss deren Recht­mä­ßig­keit durch die Sozi­al­ge­richte über­prüfen lassen; es wäre nicht das erste Mal, dass er dabei gegen das Minis­te­rium erfolg­reich wäre.

Schließ­lich sollte das Minis­te­rium auch die finan­zi­ellen Folgen einer erneuten Bean­stan­dung der Richt­li­nien sorg­fältig über­legen. Die völlig unbe­grün­dete Bean­stan­dung vom 17. Mai 2002 hat bewirkt, dass die beab­sich­tigten Einschrän­kungen bei der Verord­nung von Kran­ken­kost bisher nicht wirksam geworden sind –mit der Folge, dass die Kran­ken­kassen mit ca. 200 Millionen Euro vermeid­barer Mehr­aus­gaben belastet wurden. Dieser Betrag wäre nämlich bis heute einge­spart worden, wenn die Richt­li­nien zu Beginn des Jahres 2002 in Kraft getreten wären.