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Off-​Label-Use: G-BA schafft weitere zulas­sungs­über­schrei­tende Verord­nungs­mög­lich­keiten von Arznei­mit­teln

Berlin, 11. Juli 2014 – Drei Arznei­mittel können über ihre in der Zulas­sung fest­ge­legten Anwen­dungs­ge­biete hinaus künftig zur Behand­lung weiterer Erkran­kungen zulasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) im soge­nannten Off-​Label-Use verordnet werden. Von den heute in Kraft getre­tenen Entschei­dungen des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA) werden unter anderem Krebs- und Schlag­an­fall­pa­ti­enten profi­tieren. Off-​Label-Use bezeichnet die Anwen­dung eines zuge­las­senen Arznei­mit­tels außer­halb der von den natio­nalen und euro­päi­schen Zulas­sungs­be­hörden geneh­migten Anwen­dungs­ge­biete.

„Ange­sichts der schnellen Entwick­lung medi­zi­ni­scher Erkennt­nisse ist der Off-​Label-Use für viele Pati­en­tinnen und Pati­enten eine weitere Thera­pie­mög­lich­keit. Gerade bei seltenen Erkran­kungen kann dies eine wich­tige Behand­lungs­al­ter­na­tive darstellen“, sagte der unpar­tei­ische Vorsit­zende des G-BA, Josef Hecken, heute in Berlin. „Grund­sätz­liche Voraus­set­zung für die Verord­nungs­fä­hig­keit von Arznei­mit­teln im Off-​Label-Use ist, dass auch für die nicht zuge­las­sene Indi­ka­tion anhand von klini­schen Studien Wirk­sam­keit und Unbe­denk­lich­keit eines Arznei­mit­tels bestä­tigt werden. Denn auch außer­halb der Hürde von Zulas­sungs­ver­fahren müssen die Pati­en­ten­si­cher­heit weitest­ge­hend gesi­chert und Haftungs­ri­siken für den verord­nenden Arzt ausge­schlossen werden.“

Folgende Arznei­mittel sind nach entspre­chenden G-​BA-Beschlüssen künftig in zusätz­li­chen Anwen­dungs­ge­bieten zulasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) verord­nungs­fähig:

Lamo­trigin bei zentralem neuro­pa­thi­schem Schmerz nach Schlag­an­fall (post-​stroke-pain). Das Präparat ist zur Behand­lung der Epilepsie (Anfalls­leiden) zuge­lassen.

Cisplatin in Kombi­na­tion mit Gemci­tabin bei fort­ge­schrit­tenen Karzi­nomen der Gallen­blase und -wege. Die Präpa­rate waren bereits zur Behand­lung verschie­dener Krebs­er­kran­kungen zuge­lassen.

Immun­glo­bul­in­hal­tige Arznei­mittel zur intra­ve­nösen Anwen­dung (IVIG) bei Myasthenia gravis, einer neuro­lo­gi­schen Erkran­kung, die durch eine belas­tungs­ab­hän­gige Muskel­schwäche gekenn­zeichnet ist. Immun­glo­bu­line sind Anti­körper, die unter anderem zur Substi­tu­ti­ons­the­rapie bei Erwach­senen und Kindern mit primärem Anti­kör­per­man­gel­syn­drom zuge­lassen sind.

Beschluss­texte und Tragende Gründe sind auf folgender Seite im Internet veröf­fent­licht:

https://www.g-ba.de/infor­ma­tionen/beschluesse/zum-​aufgabenbereich/8/

Hinter­grund – Off-​Label-Use

Verord­nungs­fä­hig­keit und Aufgabe des G-BA

Die Angaben, welche Krank­heiten entspre­chend der Zulas­sung mit einem Arznei­mittel behan­delt werden dürfen, sind unter anderem in der Gebrauchs­in­for­ma­tion des Präpa­rats zu finden („Label“ = Etikett, Kenn­zeich­nung). Als Off-​Label-Use wird die Anwen­dung eines zuge­las­senen Arznei­mit­tels außer­halb der von den natio­nalen und euro­päi­schen Zulas­sungs­be­hörden geneh­migten Anwen­dungs­ge­biete (Indi­ka­tionen) bezeichnet.

Ein mögli­cher Grund für den Off-​Label-Use von Arznei­mit­teln liegt in der schnellen Weiter­ent­wick­lung von medi­zi­ni­schen Erkennt­nissen über Krank­heiten und deren medi­ka­men­töse Behand­lung. In solchen Fällen kann die Anwen­dung von Arznei­mit­teln außer­halb der Zulas­sung noch vor der Über­prü­fung durch die Zulas­sungs­be­hörde medi­zi­nisch sinn­voll sein, beispiels­weise bei der Behand­lung von Krebs.

Grund­sätz­lich kann ein Medi­ka­ment nur dann zulasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rungen (GKV) verordnet werden, wenn es zur entspre­chenden Behand­lung von Erkran­kungen einge­setzt wird, für die ein Hersteller die arznei­mit­tel­recht­liche Zulas­sung bei den zustän­digen Behörden erwirkt hat. Ausnahmen hiervon ergeben sich aus der Recht­spre­chung des Bundes­so­zi­al­ge­richts, wonach in bestimmten Fällen eine Verord­nung in einem nicht zuge­las­senen Anwen­dungs­ge­biet in Betracht kommt.

Der G-BA soll in seiner Arzneimittel-​Richtlinie gene­rell fest­legen, in welchen Fällen Arznei­mittel in nicht zuge­las­senen Anwen­dungs­ge­bieten verord­nungs­fähig sind. Grund­lage der G-​BA-Entscheidungen sind seit dem Jahr 2003 die Empfeh­lungen der vom Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit (BMG) beru­fenen Exper­ten­gruppen beim Bundes­in­stitut für Arznei­mittel und Medi­zin­pro­dukte (BfArM). Diese Exper­ten­gruppen leiten dem G-BA die jeweils erar­bei­teten Bewer­tungen zum Stand der wissen­schaft­li­chen Erkennt­nisse über den Off-​Label-Use bestimmter Arznei­mittel als Empfeh­lung zu. Bewer­tungen sollen nur mit Zustim­mung der betrof­fenen phar­ma­zeu­ti­schen Unter­nehmer erstellt werden. Der
G-BA entscheidet unter Berück­sich­ti­gung der medi­zi­ni­schen Notwen­dig­keit und Wirt­schaft­lich­keit über die Verord­nungs­fä­hig­keit dieser Medi­ka­mente zulasten der GKV.

Die Beschlüsse des G-BA zum Off-​Label-Use, also zur Ände­rung der Arzneimittel-​Richtlinie, werden dem BMG zur Prüfung vorge­legt und treten nach erfolgter Nicht­be­an­stan­dung und Bekannt­ma­chung im Bundes­an­zeiger in Kraft.


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