Pres­se­mit­tei­lung | Quali­täts­si­che­rung

Mindest­mengen schützen Pati­en­tinnen und Pati­enten!

Berlin, 16. August 2023 – Um extrem unter­ge­wich­tigen Früh- und Reif­ge­bo­renen mit einem Gewicht von unter 1.250 Gramm einen weitest­ge­hend sicheren und guten Start ins Leben zu ermög­li­chen, braucht es ein erfah­renes Behand­lungs­team. Denn wissen­schaft­liche Studien belegen: Bei dieser höchst anspruchs­vollen medi­zi­ni­schen Versor­gung werden mit stei­gender Erfah­rung auch bessere Ergeb­nisse erzielt. Im Auftrag des Gesetz­ge­bers legt der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G-BA) deshalb soge­nannte Mindest­mengen für Kran­ken­häuser fest – sie müssen erreicht werden, damit die Leis­tung ange­boten und abge­rechnet werden darf. Für die Versor­gung von extrem unter­ge­wich­tigen Früh- und Reif­ge­bo­renen steigt die Mindest­menge im kommenden Jahr von derzeit jähr­lich 20 pro Kran­ken­haus­standort auf 25. Kriti­siert wurde jüngst, dass dadurch Stand­orte schließen müssten und so eine flächen­de­ckende Versor­gung gefährdet sei. Diese Befürch­tungen teilen die unpar­tei­ischen Mitglieder des G-BA nicht.

State­ment Prof. Josef Hecken, unpar­tei­ischer Vorsit­zender des G-BA: „Das Fest­legen von Mindest­mengen ist ein grund­le­gendes und unver­zicht­bares Element der Quali­täts­si­che­rung, mit dem Sterbe- und/oder Kompli­ka­ti­ons­raten bei beson­ders komplexen und gefahr­ge­neigten Inter­ven­tionen gesenkt und damit Menschen­leben gerettet werden. Das trifft auch für die Versor­gung von extrem unter­ge­wich­tigen Früh­ge­bo­renen zu, die oft nur wenige Gramm wiegen. Bei einer Erhö­hung der jähr­li­chen Fall­zahl in einer Spezi­al­klinik um nur 10 Neuge­bo­rene unter 1.250 Gramm Geburts­ge­wicht sinkt die Wahr­schein­lich­keit, im Kran­ken­haus zu versterben, bereits um etwa 5 Prozent. Für mich ist klar: Mindest­mengen retten damit Menschen­leben!“

State­ment Karin Maag, unpar­tei­isches Mitglied des G-BA und zuständig für den Bereich Quali­täts­si­che­rung, zu dem die Mindest­men­gen­re­ge­lungen gehören: „Der Beschluss aus dem Jahr 2020, die Mindest­menge bei der hoch­kom­plexen Versor­gung von unter­ge­wich­tigen Früh­chen schritt­weise von 14 über 20 auf 25 pro Kran­ken­haus­standort hoch­zu­setzen, ist maßvoll: Erstens gab es eine lange, mehr­jäh­rige Über­gangs­zeit für Kran­ken­häuser und die Bundes­länder, die für Kran­ken­haus­pla­nung zuständig sind. Zwei­tens hatte der Beschluss gerade eine detail­lierte Folgen­ab­schät­zung vorge­nommen – die Wege­zeiten erhöhen sich im Durch­schnitt je nach Berech­nungs­mo­dell moderat auf 24/25 Minuten bei einer durch­schnitt­li­chen Wegstrecke von 24 Kilo­me­tern. Und drit­tens schützt der Beschluss vor allem jene, die eine exzel­lente Versor­gung drin­gend brau­chen, nämlich die Kinder, die weniger als 1.250 Gramm wiegen. Für den G-BA war der Gewinn an Sicher­heit für die extrem unter­ge­wich­tigen Früh­chen in Kliniken bisher der leitende Gedanke.“

Unter­stüt­zung findet die Entschei­dung des G-BA, die Mindest­menge bei der Versor­gung von unter­ge­wich­tigen Früh- und Reif­ge­bo­renen hoch­zu­setzen, auch in der Versor­gungs­praxis. Prof. Dr. Mario Rüdiger, Direktor des Zentrums für feto/neona­tale Gesund­heit am Univer­si­täts­kli­nikum Dresden, Vize­prä­si­dent der Deut­schen Gesell­schaft für Peri­na­tale Medizin (DGPM) und Vorsit­zender der Deut­schen Stif­tung Kranke Neuge­bo­rene (DSKN): „Das ,Scharf­schalten‘ der Mindest­mengen wurde bereits wieder­holt verschoben. Der aktu­elle Kampf gegen die Mindest­mengen ist Ausdruck der Unwil­lig­keit der Bundes­länder, Versor­gungs­struk­turen an die aktu­elle Gege­ben­heit anzu­passen. Die exis­tie­renden Struk­turen können künftig keine flächen­de­ckende Versor­gung mehr sichern und gefährden gleich­zeitig das Leben extrem unreifer Kinder. Mit dem Zentrum für feto/neona­tale Gesund­heit am Univer­si­täts­kli­nikum Dresden hat Sachsen ein Modell etabliert, welches nicht nur eine Zentra­li­sie­rung der Versor­gung extrem unreifer Kinder ermög­licht, sondern auch eine heimat­nahe Betreuung von Risi­ko­schwan­geren und deren Neuge­bo­renen.“

Hinter­grund: Mindest­mengen für plan­bare Leis­tungen

Den Beschluss, die Mindest­menge für unter­ge­wich­tige Früh- und Reif­ge­bo­rene unter 1.250 Gramm schritt­weise hoch­zu­setzen, hatte der G-BA bereits im Jahr 2020 getroffen und dabei auch eine detail­lierte Folgen­ab­schät­zung vorge­nommen. In den letzten Wochen war dieses Vorgehen jedoch noch einmal Anlass für Diskus­sionen, da einige Bundes­länder und Vertre­te­rinnen und Vertreter von Kran­ken­häu­sern befürch­teten, die höhere Mindest­menge könnte die Versor­gung beein­träch­tigen. Teil­weise richtig ist, dass Schwan­gere längere Fahrt­zeiten auf sich nehmen müssen. Das führt aber zu keiner Gefähr­dung des Kindes. Viel­mehr ist eine Verle­gung der Früh- und Reif­ge­bo­renen daher vermeidbar.

Der G-BA ist gesetz­lich beauf­tragt, plan­bare statio­näre Leis­tungen zu iden­ti­fi­zieren, bei denen ein Zusam­men­hang zwischen der Häufig­keit von medi­zi­ni­schen Behand­lungen und der Ergeb­nis­qua­lität besteht. Für diese Leis­tungen legt er auf Basis der verfüg­baren wissen­schaft­li­chen Erkennt­nisse Mindest­mengen je Ärztin und Arzt und/oder je Standort eines Kran­ken­hauses fest.

Als Anlage zur Pres­se­mit­tei­lung finden Sie ein Fakten­blatt zu Mindest­mengen allge­mein(PDF 135,82 kB), ein Fakten­blatt speziell zu unter­ge­wich­tigen Früh- und Reif­ge­bo­renen(PDF 140,50 kB) sowie „10 wich­tige Aussagen rund um die Mindest­menge für unter­ge­wich­tige Früh­ge­bo­rene(PDF 154,36 kB)“.

Die Pres­se­mit­tei­lung zum Beschluss des G-BA aus dem Jahr 2020 sowie alle Beschluss­do­ku­mente finden Sie auf der Website des G-BA. Weitere Infor­ma­tionen zum Stich­wort Mindest­mengen für plan­bare medi­zi­ni­sche Eingriffe gibt es im Themen­be­reich eben­falls auf der Website des G-BA.