Mindestpersonalausstattung in Psychiatrien: Mehr Flexibilität, weniger Dokumentationsaufwand
Berlin, 18. Juni 2025 – Künftig sollen stationäre Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik ihr Personal noch flexibler einsetzen können, um bedarfsgerecht zu arbeiten und ohne die Mindestvorgaben zu unterschreiten. Zugleich soll es weniger Dokumentationsaufwand für sie geben bei gleichbleibender Versorgungsqualität. Den Weg dafür freigemacht hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute durch eine Anpassung seiner „Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ (PPP-RL).
Dazu Karin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung: „Mit den beschlossenen Änderungen kann das Personal deutlich einfacher als bisher stations- und settingübergreifend eingesetzt werden. Damit tragen wir den individuellen Behandlungskonzepten vieler Krankenhäuser besser Rechnung. Gleichzeitig fördern wir die berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung von fachfremden Mitarbeitenden, die mit einer anderen Qualifikation bereits in den Kliniken beschäftigt sind als jene Berufsgruppen, die von der PPP-RL genannt werden. Als G-BA reagieren wir so auf veränderte Behandlungssettings und den aktuellen Fachkräftemangel. Zugleich haben wir darauf geachtet, dass die Änderungen nicht zulasten der Patientinnen und Patienten gehen. Die stations- und monatsbezogene Dokumentation entfällt künftig ersatzlos. Wir sichern eine qualitative und patientenzentrierte Versorgung in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen ab und schützen zugleich das Personal vor einer Überlastung. Es bleibt jedoch in der professionellen Verantwortung der Kliniken, alles zu tun, um Personal aufzubauen und zu halten. Der Fachkräftemangel darf nicht als genereller Freibrief gelten.“
Beispiele für Änderungen an der PPP-RL
- Die stations- und monatsbezogene Dokumentation entfällt ersatzlos. Da der tatsächliche Personaleinsatz nicht mehr den einzelnen Stationen zugeordnet werden muss, können Einrichtungen ihr Personal auch einfacher als bisher stations- und settingübergreifend einsetzen.
- Personal aus den Bereichen Spezial-, Bewegungs- und Physiotherapie wird zur Ermittlung der Mindestvorgaben unter einer Berufsgruppe zusammengefasst. Damit kommt der G-BA den individuellen Behandlungskonzepten vieler Kliniken nach und stärkt eine flexiblere Personalführung. Denn viele Aufgaben dieser Berufsgruppen überschneiden sich.
- Noch einmal erweitert wird die bereits vorhandene hohe Flexibilität für Krankenhäuser, vorhandenes Personal auf die mit Mindestvorgaben belegten Berufsgruppen anzurechnen: So dürfen Fach- und Hilfskräfte unter bestimmten Umständen nun bis zu 5 Prozent auf Ärztinnen und Ärzte angerechnet werden. Im Pflegedienst wird die Anrechnungsoption von 10 auf 15 Prozent angehoben. Auch Personal in einschlägigen Aus- und Weiterbildungen kann deutlich stärker als bisher berücksichtigt werden.
- Für den Nachtdienst gilt: Befristet bis zum Jahresende 2026 können bis zu 15 Prozent Pflegehilfskräfte angerechnet werden. Zudem werden bis zum Jahresende 2027 keine Folgen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgaben festgelegt.
- Einrichtungen, die Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen behandeln, können den erhöhten Versorgungsaufwand künftig in den Budgetverhandlungen vor Ort geltend machen.
Karin Maag weiter: „So wichtig dieser aktuelle Beschluss ist, er ist nur ein Zwischenschritt. Weitere Anpassungen zeichnen sich durch den heute auch abgenommenen ersten Evaluationsbericht zur PPP-RL ab. Er wird in die künftigen Beratungen einfließen. Von ihm erwarte ich mir wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Richtlinie und für eine moderne Personalbemessung.“
Inkrafttreten
Der Beschluss zur Anpassung der PPP-RL wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger zum 1. Januar 2026 in Kraft.
Datenübermittlung zum Nachweisverfahren
In einem weiteren aktuellen Beschluss hat der G-BA die Spezifikation zur EDV-technischen Aufbereitung der Dokumentation und der Datenübermittlung für das Erfassungsjahr 2026 angepasst. Die heute beschlossenen Änderungen an der PPP-RL sind hier noch nicht enthalten, werden aber zeitnah ergänzt.
Hintergrund: Personalausstattung in der stationären Psychiatrie und Psychosomatik
Der G-BA legt im Auftrag des Gesetzgebers seit 2020 in der PPP-RL qualitätssichernde Maßnahmen für die stationäre psychiatrische, kinder- und jugendpsychiatrische und psychosomatische Versorgung fest. Mit personellen Mindestvorgaben gilt es eine möglichst gute Patientenversorgung abzusichern. Da es sich um Mindestanforderungen handelt, können die Einrichtungen in den Budgetverhandlungen vor Ort darüber hinaus gehen und mehr Personal vorhalten: um etwa eine leitliniengerechte Behandlung sicherzustellen oder personelle Ausfallzeiten auszugleichen. Nähere Informationen sind auf der Website des G-BA zu finden: Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik