Pres­se­mit­tei­lung | Bedarfs­pla­nung

Bedarfs­pla­nung im Ruhr­ge­biet wird dem übrigen Bundes­ge­biet ange­passt

Berlin, 17. November 2017– Der seit Einfüh­rung der vertrags­ärzt­li­chen Bedarfs­pla­nung (1993) bestehende Sonder­status des Ruhr­ge­bietes wird zum 1. Januar 2018 aufge­hoben. Dies beschloss der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G-BA) am Freitag in Berlin. Mit dieser Entschei­dung, der eine Analyse der Versor­gungs­si­tua­tion in Deutsch­lands größtem Ballungs­raum voraus­ging, will der G-BA eine flächen­de­ckend ausge­wo­gene vertrags­ärzt­liche Versor­gung unter Berück­sich­ti­gung der lokalen Morbi­dität und der vorherr­schenden Mitver­sor­gungs­be­zie­hungen unter­stützen.

Schritt­weiser Ausbau der Haus­arzt­sitze

Die Instru­mente der Bedarfs­pla­nung mit Gültig­keit zum 1. Januar 2018 werden deshalb so gestaltet, dass nach Ablauf einer Über­gangs­frist insge­samt 600 neue Nieder­las­sungs­mög­lich­keiten für Haus­ärzte im Ruhr­ge­biet ausge­wiesen werden können. Die ersten 400 Nieder­las­sungs­mög­lich­keiten sollen in einem zehn­jäh­rigen Über­gangs­zeit­raum entstehen. Dies entspricht einem Zuwachs von circa 40 Haus­arzt­sitzen jähr­lich. Nach Ablauf der 10 Jahre gilt dann das bundes­ein­heit­liche Planungs­ni­veau.

„Mit dieser Über­gangs­re­ge­lung errei­chen wir, dass die haus­ärzt­liche Versor­gung regional gut steu­erbar bleibt und gleich­zeitig Verwer­fungen oder groß­flä­chige Sogef­fekte aus anderen Regionen vermieden werden“, erklärte Prof. Josef Hecken, unpar­tei­ischer Vorsit­zender des G-BA. „Dabei ist entschei­dend, dass die Auswir­kungen auf das Versor­gungs­ge­schehen fort­lau­fend beob­achtet werden, um auf Verän­de­rungen des Bedarfes in der Region reagieren zu können. Hierfür gibt der G-BA einen Rahmen vor, auf dessen Grund­lage die zustän­digen Landes­gre­mien vor Ort die Vertei­lungs­ent­schei­dungen treffen können“, so Hecken weiter.

Weitere Psycho­the­ra­pe­uten­sitze

Auch die psycho­the­ra­peu­ti­sche Versor­gungs­si­tua­tion im Ruhr­ge­biet wird durch den Beschluss des G-BA verbes­sert. So wird die geplante Einwohner-​Psychotherapeutendichte von derzeit 8.743 auf 5.435 Psycho­the­ra­pe­uten­sitze pro Einwohner ange­hoben. Im Ergebnis entstehen dadurch zum 1. Januar 2018 in der Summe etwa 85 weitere Zulas­sungs­mög­lich­keiten für Psycho­the­ra­peuten im Ruhr­ge­biet.

Die Sonder­re­ge­lungen für die Fach­arzt­gruppen der spezia­li­sierten fach­ärzt­li­chen Versor­gung entfallen zum 1. Januar 2018 voll­ständig. Somit gilt dort mit Beginn nächsten Jahres erst­malig eine bundes­weit einheit­liche quan­ti­ta­tive Grund­lage zur Bestim­mung der Arzt­zahlen, die für eine bedarfs­ge­rechte Versor­gung benö­tigt werden. Auch auf dieser Planungs­ebene, der beispiels­weise Fach­in­ter­nisten, Radio­logen und Anäs­the­sisten ange­hören, werden im Ruhr­ge­biet neue Nieder­las­sungs­mög­lich­keiten geschaffen. Ferner wird somit auch eine deutsch­land­weite verglei­chende Bewer­tung der bestehenden Versor­gungs­si­tua­tion verein­facht.

Darüber hinaus haben die zustän­digen Entschei­dungs­gre­mien der Länder Möglich­keiten und Instru­mente an der Hand, um Versor­gungs­eng­pässen beispiels­weise durch Sonder­be­darfs­zu­las­sungen zu begegnen. Der G-BA gibt in seiner Bedarfsplanungs-​Richtlinie zwar einen bundes­ein­heit­li­chen Rahmen vor, eröffnet jedoch gleich­zeitig Abwei­chungs­mög­lich­keiten auf regio­naler und lokaler Ebene, sofern die regio­nale Demo­grafie bzw. Morbi­dität oder auch beson­dere Versor­gungs­lagen dies erfor­dern.

Entschei­dungs­grund­lage

Im Auftrag des G-BA hat das IGES-​Institut die Versor­gungs­si­tua­tion im Ruhr­ge­biet analy­siert und verschie­dene Szena­rien beleuchtet (veröf­fent­licht mit Beschluss vom 15. Juni 2017). Die Ergeb­nisse wurden bei der Entschei­dungs­fin­dung berück­sich­tigt.

Das Gutachten konnte im Ergebnis keine trag­fä­higen Argu­mente iden­ti­fi­zieren, die eine Schlech­ter­stel­lung des Ruhr­ge­bietes in der haus­ärzt­li­chen Versor­gung recht­fer­tigen würden. Aller­dings empfahlen die Wissen­schaftler, ein wesent­li­ches Element des bishe­rigen Sonder­status beizu­be­halten: In der allge­meinen fach­ärzt­li­chen Versor­gung soll jeweils eine einheit­liche Verhält­nis­zahl je Arzt­gruppe für alle Planungs­be­reiche des Ruhr­ge­bietes erhalten bleiben. Damit erfolgt keine Ausdif­fe­ren­zie­rung zwischen größeren und klei­neren Städten der Region, sondern es wird der gesamte Verflech­tungs­raum betrachtet. Denn die Unter­schei­dung von mitver­sor­genden und mitver­sorgten Berei­chen im Ruhr­ge­biet ist aufgrund hoher Verdich­tung, Urba­nität und Binnen­ver­flech­tungen vor Ort nicht möglich. Dieses Struk­tur­merkmal unter­scheidet die Region von anderen Ballungs­zen­tren der Bundes­re­pu­blik. Der G-BA hat deshalb einen neuen struk­tu­rellen Planungs­typus, den poly­zen­tri­schen Verflech­tungs­raum, einge­führt und ihm alle Städte des Ruhr­ge­bietes glei­cher­maßen zuge­ordnet.

Der jetzt getrof­fene Beschluss wird dem Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit (BMG) zur Prüfung vorge­legt und tritt nach Nicht­be­an­stan­dung und Bekannt­ma­chung im Bundes­an­zeiger zum 1. Januar 2018 in Kraft.

Hinter­grund

In seiner Bedarfsplanungs-​Richtlinie legt der G-BA die Zahl der zuge­las­senen Vertrags­ärz­tinnen und -ärzte und Psycho­lo­gi­schen Psycho­the­ra­peu­tinnen und -​therapeuten bezogen auf die Zahl der Einwohner in einem bestimmten räum­li­chen Planungs­be­reich fest.

Das Ruhr­ge­biet wurde bislang in der Bedarfsplanungs-​Richtlinie aufgrund seiner Struktur als Sonder­re­gion ausge­wiesen. Dadurch war dort eine im Durch­schnitt gerin­gere Ärzte­dichte in der ambu­lanten Versor­gung ausge­wiesen.

Als ausschlag­ge­bend galt, dass die typi­scher­weise für Kern­städte ange­nom­mene Mitver­sor­gung von Pati­enten aus dem Umland im Ruhr­ge­biet weniger rele­vant sei, weil die Kern­städte dieser Region quasi nahtlos inein­ander über­gehen. Bei der letzten Neufas­sung der Bedarfsplanungs-​Richtlinie hatte man fest­ge­legt, diese Sonder­be­pla­nung inner­halb von fünf Jahren – also bis zum 1. Januar 2018 – zu über­prüfen.


Beschluss zu dieser Pres­se­mit­tei­lung

Bedarfsplanungs-​Richtlinie: Ände­rungen der Rege­lungen zum Ruhr­ge­biet