Pres­se­mit­tei­lung | Metho­den­be­wer­tung

Nicht-​invasive Tests bei Risi­ko­schwan­ger­schaften: G-BA fordert zur Stel­lung­nahme auf

Berlin, 22. März 2019 – Der Gemein­same Bundes­aus­schuss (G-BA) hat am Freitag in Berlin das Stel­lung­nah­me­ver­fahren zu den geplanten Anwen­dungs­mög­lich­keiten nicht-​invasiver mole­ku­lar­ge­ne­ti­scher Tests (NIPT) zur Bestim­mung des Risikos auto­so­maler Triso­mien 13, 18 und 21 bei Risi­ko­schwan­ger­schaften eröffnet. Wissen­schaft­liche Fach­ge­sell­schaften, die Bundes­ärz­te­kammer, der Deut­sche Ethikrat, die Gendiagnostik-​Kommission und zahl­reiche weitere Orga­ni­sa­tionen sind nun aufge­for­dert, die vorge­se­henen Ände­rungen der Mutterschafts-​Richtlinien fach­lich zu prüfen. In den Mutterschafts-​Richtlinien des G-BA sind die zu Lasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) ange­bo­tenen Leis­tungen zur ärzt­li­chen Schwan­ge­ren­be­treuung gere­gelt.

Bei der geplanten Ände­rung geht es um die Unter­su­chung fetaler DNA im Blut der Schwan­geren auf ein Vorliegen einer Trisomie 13, 18 und 21. Der G-BA hat geprüft, ob und wie NIPT – im Vergleich zu bisher im Rahmen der GKV erbring­baren Unter­su­chungen wie der inva­siven Chori­on­zot­ten­bi­opsie (Biopsie der Plazenta) und Amnio­zen­tese (Frucht­was­ser­un­ter­su­chung) – einge­setzt werden können.

„Ange­sichts der Risiken inva­siver Unter­su­chungen sowie der belegten hohen Test­güte der geprüften NIPT-​Verfahren sieht der G-BA im Ergebnis der Studi­en­aus­wer­tungen eine Aner­ken­nung der NIPT als im Einzel­fall mögliche Leis­tung im Rahmen der Schwan­ge­ren­be­treuung als medi­zi­nisch begründet an“, sagte Prof. Josef Hecken, unpar­tei­ischer Vorsit­zender des G-BA am Freitag in Berlin. „Es geht ausdrück­lich um die Anwen­dung des Tests bei Schwan­ger­schaften mit beson­deren Risiken. Damit sollen die aktuell verfüg­baren Test­ver­fahren – das sind Eingriffe, die mit großen Risiken für das unge­bo­rene Kind verbunden sind – so weit wie möglich ersetzt werden. Es geht nicht etwa um eine Reihen­un­ter­su­chung aller Schwan­geren“, so Hecken weiter.

Welche Rege­lungen sind im Beschluss­ent­wurf vorge­sehen?

Als Leis­tung der GKV sollen NIPT nur bei beson­deren Risiken oder zur Abklä­rung von Auffäl­lig­keiten im Einzel­fall in Frage kommen. Ein ausschließ­lich statis­tisch begrün­detes Risiko für eine Trisomie – beispiels­weise aufgrund des Alters der Schwan­geren – ist demnach nicht ausrei­chend, um den Test zu Lasten der GKV in Anspruch nehmen zu können.

Ziel der Unter­su­chung mit NIPT ist es, der Schwan­geren eine Ausein­an­der­set­zung mit ihrer indi­vi­du­ellen Situa­tion hinsicht­lich des Vorlie­gens einer Trisomie zu ermög­li­chen, jedoch inva­sive Unter­su­chungen – Amnio­zen­tese und Chori­on­zot­ten­bi­opsie – zu vermeiden. Sofern laut NIPT-​Befund eine hohe Wahr­schein­lich­keit für eine Trisomie vorliegt, muss der Befund aller­dings eine Empfeh­lung zur inva­siven Abklä­rungs­dia­gnostik enthalten.

Es sollen nur NIPT-​Verfahren verwendet werden dürfen, deren Test­güte nach­weis­lich sehr hoch ist.

Die Ärztin oder der Arzt, die bzw. der die Schwan­gere aufklärt und berät, muss über eine Quali­fi­ka­tion gemäß Gendia­gnos­tik­ge­setz und den Richt­li­nien der Gendiagnostik-​Kommission verfügen. Zur Unter­stüt­zung der Bera­tung wird derzeit eine Versi­cher­ten­in­for­ma­tion erar­beitet, die dann zu verwenden ist.

Die Pati­en­ten­ver­tre­tung im G-BA vertritt die Posi­tion, dass eine Anwen­dung der NIPT zu Lasten der GKV gene­rell erst ab der 12. Schwan­ger­schafts­woche möglich sein soll. Zudem solle zur Aufklä­rung und Bera­tung durch die Ärztin oder den Arzt vor der Anwen­dung des Tests auch der Hinweis gehören, dass in bestimmten Bera­tungs­an­ge­boten (zum Beispiel durch Eltern von Menschen mit Triso­mien) umfas­sende Infor­ma­tionen über das Leben mit Triso­mien einge­holt werden können.

Zum Stel­lung­nah­me­ver­fahren und den weiteren Schritten

Die Stel­lung­nah­me­be­rech­tigten werden nun vom G-BA schrift­lich aufge­for­dert, inner­halb von sechs Wochen eine Stel­lung­nahme zum Beschluss­ent­wurf und den Tragenden Gründen abzu­geben. Nach Auswer­tung der schrift­li­chen Stel­lung­nahmen führt der G-BA eine münd­liche Anhö­rung mit den Stel­lung­nah­me­be­rech­tigten durch, insbe­son­dere um noch offene Fragen zu klären.

Nach Abschluss des schrift­li­chen und münd­li­chen Stel­lung­nah­me­ver­fah­rens wird der G-BA voraus­sicht­lich im August 2019 den gege­be­nen­falls ange­passten Beschluss­ent­wurf in öffent­li­cher Sitzung abschlie­ßend beraten und entscheiden.

Der Beschluss zur Anwen­dung von NIPT wird – so ist es derzeit im vorlie­genden Beschluss­ent­wurf geplant – erst mit dem Beschluss zu einer Versi­cher­ten­in­for­ma­tion in Kraft treten. Der Beschluss zur Versi­cher­ten­in­for­ma­tion ist für Herbst 2020 geplant.

Voraus­set­zung für das Inkraft­treten ist zudem, dass das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit eine Nicht­be­an­stan­dung der Beschlüsse ausspricht. Mit Veröf­fent­li­chung im Bundes­an­zeiger treten dann beide Beschlüsse in Kraft. 

Zum Hinter­grund des Stel­lung­nah­me­ver­fah­rens zur Ände­rung der Mutterschafts-​Richtlinien

In den Richt­li­nien über die ärzt­liche Betreuung während der Schwan­ger­schaft und nach der Entbin­dung (Mutterschafts-​Richtlinien) sind Art, Umfang und Voraus­set­zungen der Leis­tungen im Rahmen der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung gere­gelt. Die Über­prü­fung, ob eine neue Untersuchungs-​ oder Behand­lungs­me­thode nach dem wissen­schaft­li­chen Stand der Erkennt­nisse in die Mutterschafts-​Richtlinien aufzu­nehmen ist, erfolgt im Rahmen eines soge­nannten Metho­den­be­wer­tungs­ver­fah­rens. Hierbei bewertet der G-BA den Nutzen, die medi­zi­ni­sche Notwen­dig­keit und Wirt­schaft­lich­keit.

Die wesent­li­chen Schritte, die der G-BA bei einem solchen Metho­den­be­wer­tungs­ver­fah­rens einzu­halten hat, sind gesetz­lich fest­ge­legt: Von der Antrag­stel­lung über die wissen­schaft­li­chen Entschei­dungs­grund­lagen und das Stel­lung­nah­me­ver­fahren bis hin zur Beschluss­fas­sung. Diese Schritte sind in der Verfah­rens­ord­nung des G-BA noch­mals konkre­ti­siert fest­ge­halten.

Ausge­löst durch einen Antrag eines Medi­zin­pro­dukte­her­stel­lers wurde der G-BA mit der Bera­tung zur Erpro­bung der Methode „nicht­in­va­sive Präna­tal­dia­gnostik zur Bestim­mung des Risikos von fetaler Trisomie 21 mittels eines mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Tests“ befasst.  

Ange­sichts der bereits vorhan­denen Studi­en­lage beschloss der G-BA im August 2016, die Bera­tungen zur Erpro­bung ruhend zu stellen und ein Bewer­tungs­ver­fahren der „Nicht­in­va­siven Präna­tal­dia­gnostik zur Bestim­mung des Risikos von fetaler Trisomie 13, 18 und 21 mittels mole­ku­lar­ge­ne­ti­scher Tests in den engen Grenzen einer Anwen­dung bei Risi­ko­schwan­ger­schaften“ einzu­leiten. In dem Bewer­tungs­ver­fahren soll geprüft werden, ob und wie im Vergleich zu bisher im Rahmen der GKV erbring­baren Unter­su­chungen wie der inva­siven Chori­on­zot­ten­bi­opsie (Biopsie der Plazenta) bzw. Amnio­zen­tese (Frucht­was­ser­un­ter­su­chung) ein nicht-​invasiver mole­ku­lar­ge­ne­ti­scher Test einge­setzt werden kann.

Das Institut für Qualität im Gesund­heits­wesen (IQWiG) wertete im Auftrag des G-BA Studien zur Frage der diagnos­ti­schen Eigen­schaften nicht-​invasiver Präna­tal­dia­gnostik (NIPD) zur Bestim­mung des Risikos auto­so­maler Triso­mien 13, 18 und 21 mittels eines mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Tests bei Risi­ko­schwan­ger­schaften aus. Der Abschluss­be­richt bildete eine wesent­liche Grund­lage für die Bera­tungen im G-BA zur Ände­rung der Mutterschafts-​Richtlinien.

Parallel zur Metho­den­be­wer­tung beauf­tragte der G-BA das IQWiG im Februar 2017, eine Versi­cher­ten­in­for­ma­tion zu erstellen. Werdende Eltern sollen im Umgang mit dem verfüg­baren gene­ti­schen Wissen dabei unter­stützt werden, eine infor­mierte Entschei­dung treffen zu können. Die Fertig­stel­lung der Versi­cher­ten­in­for­ma­tion wird in Abhän­gig­keit von den Rege­lungen erfolgen, die der G-BA zur Anwen­dung von mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Tests fasst. Daher kann diese erst im Nach­gang zur Beschluss­fas­sung über den Test erstellt werden.


Beschluss zu dieser Pres­se­mit­tei­lung

Einlei­tung des Stel­lung­nah­me­ver­fah­rens: Nicht-​invasive Präna­tal­dia­gnostik (NIPD) auto­so­maler Triso­mien 13, 18 und 21 mittels eines mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Tests (NIPT) für die Anwen­dung bei Risi­ko­schwan­ger­schaften im Rahmen der Mutterschafts-​Richtlinien